„Fachkräftelücke von rund 263.000 offenen Stellen“
Ein hohes Kostenniveau, ein kritisches Marktumfeld auch die steigenden Gesamtzahl von Insolvenzen sowie innenpolitische Unwägbarkeiten dämpfen die Zuversicht der Freiberuflerinnen und Freiberufler. Das geht aus der neuen Winter-Konjunkturumfrage des Bundesverbandes der Freien Berufe (BFB) hervor.
„Überdies arbeiten mehr und mehr von ihnen gemeinsam mit ihren Teams über Anschlag“, sagte BFB-Präsident Friedemann Schmidt. Betroffen sei derzeit fast jede zweite Freiberuflerin, jeder zweite Freiberufler. Im Vorwinter sei es rund jede, jeder Dritte gewesen. Weiterhin schätze nur rund jeder dritte Befragte seine aktuelle Geschäftslage als gut ein. „Und nicht einmal jede, jeder Zehnte erwartet im kommenden Halbjahr eine günstigere Entwicklung. Selbst dieser im Vorjahresvergleich leicht zuversichtlichere Ausblick ist mit Unsicherheiten behaftet, was sich am Geschäftsklima ablesen lässt“, so der BFB-Präsident.
Ein großes Problem sei der Fachkräftemangel, der bis tief in die Praxen, Kanzleien, Büros und Apotheken vorgedrungen sei und immer gravierender werde: Im Großen, da die Freien Berufe ihre Potenziale nicht entfalten könnten., aber auch im persönlichen Vertrauensraum mit Patientin, Mandant, Klientin und Kunde. Laut Schmidt mussten gut zwei Drittel der Befragten Aufträge, Behandlungen, oder Mandate bereits ablehnen. Mehr als jeder Vierte geht davon aus, das vertraute Spektrum höchstens noch ein Jahr erbringen zu können.urchschnittlich dauere die Personalsuche bei den Freien Berufen derzeit zehn Monate
Im Durchschnitt dauert die Personalsuche zehn Monate
Aus Sicht der Befragten muss politisch insbesondere gegengesteuert werden, indem in den freiberuflichen Praxen, Kanzleien, Büros und Apotheken gerade die Ressource Zeit geschont werde, um davon eben mehr für Patientinnen, Mandanten, Klientinnen und Kunden zu haben. Im Schnitt wendeten die Befragten 27 Prozent ihrer Wochenarbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten auf, die nicht zu den Kernaspekten ihrer freiberuflichen Tätigkeit zählen. Mehrheitlich sprechen sie sich zudem dafür aus, die schulische Berufsorientierung zu stärken und eine bessere schulische Qualifikation zu fördern.
Insgesamt fehlen laut Umfrage den Freien Berufen rund 160.000 Fachkräfte, 53.000 angestellte Berufsträgerinnen und Berufsträger sowie 50.200 Auszubildende. Das seien in Summe rund 263.200 Menschen wie es in der Umfrage heißt. Der BFB sprich hier von einer enormen Fachkräftelücke bemessen an den insgesamt rund 4,6 Millionen Beschäftigten in freiberuflichen Teams. Der letztverfügbare Wert aus dem Herbst 2022 habe bei 340.000 gelegen. Im Vergleich habe sich die Situation bei den Auszubildenden nochmals verschärft. Bei den Berufsträgerinnen und Berufsträgern sowie Fachkräften habe sich die Lage hingegen etwas verbessert, wie aus der jüngsten Freiberufler-Statistik hervorgehe, die ein merkliches Plus bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ausweise.
Geschäftslage und Fachkräftesituation
Geschäftslage und Sechsmonatsprognose
Ihre aktuelle Geschäftslage schätzen 38,1 Prozent der befragten Freiberuflerinnen und Freiberufler als gut ein, 43,6 Prozent als befriedigend und 18,3 Prozent als schlecht. Verglichen mit den Vorjahreswerten bessert sich die Stimmung leicht: Im Winter 2022 beurteilten 37,7 Prozent der Befragten ihre Lage als gut, 40,9 Prozent als befriedigend und 21,4 Prozent als schlecht.
9,5 Prozent erwarten eine günstigere Entwicklung, 52,5 Prozent einen gleichbleibenden und 38 Prozent einen ungünstigeren Verlauf. Auch hier drehen sich die Werte gegenüber dem Vorwinter leicht ins Positive. 7,1 Prozent rechneten seinerzeit mit einer günstigeren, 47,1 Prozent mit einer gleichbleibenden und 45,8 Prozent mit einer ungünstigeren Entwicklung. Da aktuell deutlich mehr Freiberuflerinnen und Freiberufler einen ungünstigeren als einen günstigeren Verlauf befürchten, ergibt sich eine negative Geschäftserwartung.
Fachkräftesituation
Knapp jede zweite Freiberuflerin, jeder zweite Freiberufler hat unbesetzte Stellen (46,8 Prozent), 53,2 Prozent nicht. Besonders hoch ist der Bedarf der freien Heilberufe, mit Abstand folgen die rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden und die technisch-naturwissenschaftlichen Freiberuflerinnen und Freiberufler, weniger betroffen sind die freien Kulturberufe. Der Bedarf steigt überdies mit zunehmender Unternehmensgröße an.
Mit 57,8 Prozent haben mehr als die Hälfte der Befragten bis zu eine offene Stelle. Etwa ein Viertel hat ein bis zwei vakante Positionen und weitere knapp elf Prozent zwischen zwei und fünf offene Posten zu besetzen. Mit 5,4 Prozent ist der Anteil derer, die mehr als fünf unbesetzte Stellen zu verzeichnen haben, eher gering.
Der Blick auf die einzelnen Beschäftigtengruppen zeige, dass der Bedarf gerade in den Kernbereichen der freiberuflichen Vertrauensdienstleistungen und damit beim direkten Kontakt zu Patientinnen, Mandanten, Klientinnen und Kunden besorgniserregend hoch sei. Allerdings werde sich das Vakuum noch ausweiten, so die Prognose. Jeder Vierte rechne damit, auch 2024 noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu brauchen. Allerdings befürchteten fast zwei Drittel der Befragten große bis sehr große Schwierigkeiten, so die Umfrage. Durchschnittlich dauere die Personalsuche bei den Freien Berufen derzeit zehn Monate und werde sich weiter erschweren.
Die Konjunkturumfrage ist eine repräsentative Umfrage des Instituts für Freie Berufe (IFB) im Auftrag des BFB vom 4. Oktober bis 6. November 2023 unter knapp 1.600 Freiberuflerinnen und Freiberuflern. Im Sonderteil wurde der Fachkräftemangel in den Blick genommen.