Universität Tübingen

Forschende entdecken antibiotischen Wirkstoff im Nasenmikrobiom

mg
Medizin
Forschende haben den neuartigen antibiotischen Wirkstoff Epifadin entdeckt, der auf der Schleimhaut der Naseninnenwand vorkommt. Er begründet eine neue, bisher unbekannte Wirkstoffklasse.

Produziert wird das Molekül mit dem Namen Epifadin von bestimmten Bakterienstämmen der Art Staphylococcus epidermidis, die auf der Schleimhaut der Naseninnenwand vorkommen. Daneben konnten Epifadin-produzierende Stämme aber auch von der Hautoberfläche isoliert werden. Epifadin begründet eine neue, bisher unbekannte Mikroorganismen-abtötende Wirkstoffklasse, die als Leitstruktur zur Entwicklung von neuartigen Antibiotika genutzt werden könnte, schreiben die Forschenden.

Das Bakterium Staphylococcus epidermidis kommt natürlicherweise im Haut- und im Nasenmikrobiom fast aller Menschen vor. Der neu identifizierte Stamm produziert den Wirkstoff Epifadin vermutlich, um sich gegen konkurrierende Mikroorganismen durchzusetzen. Epifadin wirkt nicht nur gegen diejenigen Bakterien, die sich in lokaler Konkurrenz mit Staphylococcus epidermidis befinden. Auch gegen Bakterien aus anderen Lebensräumen wie dem Darm sowie gegen bestimmte Pilze ist Epifadin wirksam. Eine besonders gute Wirksamkeit wurde gegen den potenziellen Krankheitserreger Staphylococcus aureus festgestellt, der auch als Krankenhauskeim bekannt ist, und besonders gefährlich ist, wenn er als antibiotikaresistente Form (MRSA) vorkommt.

Bereits 2016 entdeckten dieselben Arbeitsgruppen von Dr. Bernhard Krismer und Prof. Dr. Andreas Peschel gemeinsam mit den Professorinnen Stephanie Grond und Heike Brötz-Oesterhelt an der Universität Tübingen einen unbekannten antibiotischen Wirkstoff mit einzigartiger Struktur – das sogenannte Lugdunin. Epifadin ist nun also die zweite Entdeckung dieser Art von diesen Arbeitsgruppen, die im menschlichen Mikrobiom gemacht wurde.

Der Wirkstoff ist nur wenige Stunden aktiv

Im Experiment tötet der Wirkstoff Epifadin den Erreger Staphylococcusaureus sehr zuverlässig ab. Der Wirkstoff schädigt dabei die Zellmembran feindlicher Bakterienzellen, wodurch diese zerstört werden. Die chemische Struktur von Epifadin ist höchst instabil und der Wirkstoff ist nur wenige Stunden aktiv. Dadurch wirkt Epifadin vor allem lokal und Kollateralschäden des Mikrobioms, wie bei heutigen Behandlungen mit Breitbandantibiotika, sind unwahrscheinlicher. Ob Epifadin oder seine Derivate für eine Therapie nutzbar sind, wird erst die zukünftige Forschung zeigen. Es wäre beispielsweise denkbar, Epifadin-produzierende Staphylococcus epidermidis in der Nasenschleimhaut und an anderen Stellen auf unserer Haut gezielt anzusiedeln und somit das Wachstum von Krankheitserregern wie Staphylococcus aureus zu unterdrücken. So könnte bakteriellen Infektionen vorgebeugt werden – mit natürlichen Mitteln, über die der Körper bereits verfügt.

Forschende des Exzellenzclusters „Controlling Microbes to Fight Infections“ CMFI der Universität Tübingen kamen dem Wirkstoff und seiner Struktur vor zehn Jahren auf die Spur, als sie den produzierenden Stamm erstmals isolieren konnten. Komplexe Naturstoffe wie Epifadin werden von Mikroorganismen mithilfe von Enzymen aus Einzelbausteinen gebildet – „Biosynthese“ genannt. Erste Versuche diese Biosynthese nachzuvollziehen, hatten schon früh auf ein völlig neuartiges Molekül hingedeutet. Erst nach mehreren Jahren der engen Zusammenarbeit mit der chemischen Analytik und Synthese der Organischen Chemie an der Universität Tübingen, gelang ihnen die Anreicherung und Lagerung des Wirkstoffs auf eine Weise, die eine vollständige Isolierung der Reinsubstanz ermöglichte.

In Folgestudien wird es nach Angaben der Forschenden darum gehen, aus der Struktur des Wirkstoffs Rückschlüsse auf seine Wirkung zu ziehen. Auch hier erschwert die kurze Haltbarkeit von Epifadin eine umfassende chemische und biologische Analyse. Daher sollen im Labor zunächst mittels chemischer Synthese künstlich Moleküle mit einer ähnlichen Struktur und antimikrobieller Wirkung wie Epifadin hergestellt werden, die stabiler sind und mit denen sich besser arbeiten lässt.

Benjamin O. Torres Salazar, Taulant Dema, Nadine A. Schilling et al., Commensal production of a broad spectrum and short-lived antimicrobial peptide polyene eliminates nasal Staphylococcus aureus. Nature Microbiology. https://doi.org/10.1038/s41564-023-01544-2.

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