Italienische Studie

Gefühl von Kontrollverlust kann Zahnarztangst vorhersagen

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Zahnmedizin
Jeder Zahnarzt wird regelmäßig im Rahmen seiner praktischen Tätigkeit mit ängstlichen Patienten konfrontiert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass der empfundene Kontrollverlust eine Schlüsselrolle bei der Zahnarztangst spielt.

Die Angst vor Zahnarztbesuchen variiert stark – bei manchen Menschen ist sie nur leicht ausgeprägt, bei anderen hingegen so überwältigend, dass sie zahnärztliche Praxen grundsätzlich meiden oder nur bei sehr starken Beschwerden aufsuchen. Die Ursachen sind vielfältig, obgleich negative Erfahrungen in der Vergangenheit sicherlich eine große Rolle spielen.

Diese drei kognitive Faktoren werden mit Zahnarztangst assoziiert

Eine Gruppe italienischer Wissenschaftler hat die kognitiven Faktoren näher beleuchtet, die in Zusammenhang mit Zahnarztangst stehen könnten. Das Besondere an der vorliegenden Studie ist, dass die kognitiven Faktoren nicht einzeln betrachtet, sondern in Zusammenhang mit den nicht-kognitiven Faktoren setzt, um Vermittlungswege zu analysieren. Die Studie wurde im Mai 2021 im Journal of Oral Sciences veröffentlicht.

Bekannt ist, dass besonders drei kognitive Faktoren eindeutig mit Zahnarztangst assoziiert werden können. Die italienische Forschergruppe bezieht sich hier auf die von Milgrom et al. [1995] formulierten Hauptdimensionen der Patientenwahrnehmung. Dazu gehören:

die aus Patientensicht wahrgenommene Professionalität / fachliche Kompetenz der Zahnärztin oder des Zahnarztes,

die subjektiv empfundene Art und Weise der Kommunikation der Zahnärztin oder des Zahnarztes,

sowie der persönlich empfundene Mangel an Kontrolle.

Auch traumatische Erlebnisse sind ursächlich

Zudem seien nicht-kognitive Faktoren, wie vorangegangene traumatische Ereignisse im Rahmen zahnärztlicher Behandlungen, ursächlich. Scandurra und sein Team arbeiteten mit einem Modell, dass die drei benannten kognitiven Dimensionen als Mediator zwischen vorangegangenen traumatischen Erfahrungen und Zahnarztangst analysieren und bewerten sollte (Abbildung 1). Insgesamt nahmen 253 Patienten an der in einer Zahnarztpraxis des öffentlichen Universitätskrankenhauses Neapel durchgeführten Studie teil.

Die Ergebnisse zeigen, dass traumatische Erlebnisse eindeutig mit einem erhöhten Maß an Zahnarztangst assoziiert waren, wobei eine größere Anzahl traumatischer Erlebnisse die Angst zu steigern scheint.

Kontrollverlust als Angstprädiktor

Von den kognitiven Faktoren vermittelte allerdings nur der Kontrollmangel einen direkten Zusammenhang zwischen traumatischen Behandlungserlebnissen und Zahnarztangst – die Zusammenhänge zwischen Professionalität und Kommunikation als Mediatoren waren hier nicht signifikant.

Ein von Patienten empfundener Kontrollverlust sei deshalb ein eindeutiger prädiktiver Faktor für empfundene Angst vor einer zahnärztlichen Behandlung. Sprich: Das Empfinden von Kontrollverlust könne Zahnarztangst vorhersagbar machen - ebenso wie der nicht-kognitive Faktor vorangegangener traumatischer Negativerfahrungen.

Die vermittelnde Wirkung des Kontrollmangels als Mediator zwischen negativen Erfahrungen und Angst könne ursächlich für die unterschiedliche Ausprägung der Angst sein.

Einschätzung der Angst anhand einer Skala

Aus den vorliegenden Ergebnissen leiten die Forscher ab, dass zunächst eine Einschätzung der Zahnarztangst  wichtig sei. Dies könne durch Nachfragen erfolgen oder auch im Rahmen einer schriftlichen Befragung mittels Skala (zum Beispiel im Anamnesebogen) und schließlich nicht nur den Umgang mit dem Patienten erleichtern, sondern auch helfen, einen geeigneten, individuellen Behandlungsplan zu erstellen.

Das Einbeziehen vorangegangener Negativerfahrungen sei ebenfalls wichtig, da aufgrunddessen evaluieren könne, welche Folgen bestimmte Verhaltensweisen des Zahnarztes auf die Wahrnehmung des Patienten haben, um abzuleiten, was für zukünftige Behandlungen wichtig ist.

Dem Patienten das Gefühl von Kontrolle vermitteln

In Bezug auf den Kontrollverlust als Hauptfaktor für die Entstehung von Zahnarztangst „sollten Zahnärzte ihr Bestes tun, um ihren Patienten das Gefühl zu geben, dass sie die Kontrolle über die Situation haben. Zum Beispiel kann der Zahnarzt seinen Patienten mitteilen, dass es möglich ist, die Behandlung bei übermäßigen Schmerzen oder aus einem anderen Grund durch ein vor der Behandlung vereinbartes Signal (etwaeine erhobene Hand) zu unterbrechen.“ [Scandurra et al., 2021].

Tell – Show - Do auch bei Erwachsenen

Eine in zahnärztlichen Praxen häufig bei Kindern angewandte und etablierte Maßnahme zur Angstreduzierung ist die verhaltenstherapeutische Methode „Tell-Show-Do“. Die italienischen Forscher empfehlen die Anwendung ebenso bei Erwachsenen.

Dabei werden die folgenden Behandlungsschritte zunächst erklärt, dann außerhalb des Mundes gezeigt und erst im letzten Schritt umgesetzt. Dabei sollte die Sprache an den Patienten angepasst werden. Bei „Show“ sollten die Prozeduren außerhalb des Mundes vorgeführt werden, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, alle visuellen, auditiven und taktilen Reize wahrzunehmen, zu verarbeiten und ihnen damit ihre Bedrohlichkeit zu nehmen. Diese Methode kann Unsicherheiten beseitigen und gilt im klinischen Umfeld vor allem bei Kindern als erfolgreich und vorhersehbar.

Originalpublikation: Scandurra C, Gasparro R, Dolce P, Bochicchio V, Muzii B, Sammartino G, Marenzi G, Maldonato NM. The role of cognitive and non-cognitive factors in dental anxiety: A mediation model. Eur J Oral Sci. 2021 May 4:e12793. doi: 10.1111/eos.12793. Epub ahead of print. PMID: 33945646

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