Gene bedingen Kariesrisiko

Jan H. Koch
Zahnmedizin
Mädchen und Frauen haben ein erhöhtes Kariesrisiko, aber liegt das nur an ihrer Ernährung? Eine Studie aus den USA zeigt, dass auch geschlechtsbezogene Genetik eine wichtige Rolle spielen könnte.

Genetische Faktoren beeinflussen nach der aktuellen Studienlage wesentlich unser individuelles Kariesrisiko, geschätzt wird ein Anteil von 20 bis 65 Prozent. Unter Verdacht stehen zum Beispiel Gene, die für Zahnhartsubstanz, Speichel oder Geschmackspräferenzen kodieren. Diese können sowohl das Risiko erhöhen, als auch einen schützenden Einfluss haben.

Eine aktuelle Studie zeigt erstmals, dass das Kariesrisiko mit geschlechtsabhängigen genetischen Unterschieden verknüpft ist (1). Hintergrund ist die Beobachtung, dass Frauen ein durchschnittlich höheres Kariesrisiko haben als Männer.

Die Forscher untersuchten 740 Familien mit mehr als 2.600 Mitgliedern zwischen ein und 93 Jahren in den USA. Erhoben wurden der flächenbezogene DMF und dmf sowie selektive Fissurenkaries- und Glattflächen-Indizes in beiden Dentitionen. Die Ergebnisse wurden statistisch mit der erwarteten verwandtschaftlichen Übereinstimmung abgeglichen. Dadurch sollte erstens gezeigt werden, ob sich der Einfluss genetischer Faktoren zwischen den Geschlechtern unterscheidet. Zweitens ließ sich laut Autoren klären, ob einzelne genetische Faktoren für festgestellte Unterschiede verantwortlich sind.

Männliche Milchzähne stärker von den Genen abhängig

Das geschlechtsbezogene Kariesrisiko unterschied sich je nach Alter und Dentition. Bei männlichen Probanden zeigte sich insgesamt ein größerer genetischer Einfluss auf die Karieserfahrung als bei weiblichen. Differenziert nach Dentitionen ließ sich ein signifikanter Unterschied aber nur bei Milchzähnen feststellen (dmfs bei Jungen höher), nicht bei bleibenden Zähnen. Unabhängig vom Gesamteffekt wurden für beide Geschlechter jeweils unterschiedliche Gene identifiziert, die einen Einfluss auf das Kariesrisiko haben könnten. Welche Merkmale diese Gene jeweils kodieren, wurde in der Studie allerdings nicht untersucht.

Umweltfaktoren ebenfalls wichtig

Andere Studien zeigen, dass das männliche X-Chromosom in Kombination mit bestimmten Genveränderungen zum Beispiel das Risiko für Parodontitis erhöht. Geschlechtsspezifische Risiken fanden sich auch für koronare Gefäßerkrankungen, doch betonen Wissenschaftler den Einfluss von Umweltfaktoren. Auch die Autoren der Kariesstudie weisen – wenig überraschend – darauf hin, dass neben der verwandtschafts- und geschlechtsbezogenen Genetik verschiedene Umweltfaktoren wie Ernährung und Zahnhygiene eine zentrale Rolle spielen.

Genetisch bedingte Süßpräferenz belegt

Dazu passt, dass es einerseits Hinweise auf eine größere, genetisch bedingte Süßpräferenz bei Mädchen und Frauen gibt. Zudem scheinen Frauen bei Stress eher Süßes, Männer eher Deftiges zu bevorzugen (2). Entsprechend könnte in Zukunft ein festgestelltes genetisches Kariesrisiko das zahnärztliche Team dabei unterstützen, abgestimmte präventive Konzepte für ihre Patienten zu erarbeiten – individuell oder auch geschlechtsbezogen. Wie das genau funktioniert, müsste aber noch durch viele weitere Studien ermittelt werden.

Quellen:

1.Shaffer JR, Wang X, McNeil DW, Weyant RJ, Crout R, Marazita ML. Genetic Susceptibility to Dental Caries Differs between the Sexes: A Family-Based Study. Caries Res 2015;49:133-140.2.Dube L, LeBel JL, Lu J. Affect asymmetry and comfort food consumption. Physiol Behav 2005;86:559-567. 

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