Geschäfte mit künstlicher Befruchtung im Ausland
Auf der Anklagebank sitzt seit Mittwoch der Leiter des inzwischen geschlossenen Kinderwunsch-Informationszentrums Deutschland (KID) mit Sitz in Ottobrunn. Die Staatsanwaltschaft München wirft ihm Beihilfe zur missbräuchlichen Anwendung von Fortpflanzungstechniken vor.
Heiß umkämpfter Markt
Hintergrund des Prozesses ist der offenbar heiß umkämpfte Markt mit künstlicher Befruchtung, den ein findiger Mediziner ins Ausland verlegte. Ein Konkurrent soll das Verfahren gegen den Professor ins Rollen gebracht haben.
Der Reproduktionsspezialist gründete In-vitro-Fertilisationszentren in Italien, Tschechien und Österreich, wo die Gesetze großzügiger sind. Die Holding in Bregenz war Gesellschafterin des von dem Angeklagten geleiteten KID. Dessen Aufgaben waren der Staatsanwaltschaft zufolge "Werbe-, Beratungs-, Akquirierungs- und Vermittlungstätigkeiten für Patientinnen und Ärzte".
Die Frauen suchten demnach mit Überweisungsschein ihrer Gynäkologen eines der Behandlungszentren des Professors auf. Dort wurden ihnen mehr als die in Deutschland erlaubten drei befruchteten Eizellen eingepflanzt.
Gute bezahlte Vermittlungstätigkeit
Der 62 Jahre alte Angeklagte soll für den Aufbau des Netzwerks und die Vermittlung von Patientinnen zwischen 2007 und 2010 gut 380.000 Euro bezogen haben. "Was der Angeklagte gemacht hat, verstößt zwar gegen die Normen des Embryonenschutzgesetzes; ob es auch gegen dessen Sinn verstößt, ist eine andere Frage", sagte Verteidiger Sewarion Kirkitadse vor dem Amtsgericht München. Das sei Sache des Gesetzgebers, wies ihn Amtsrichter Gerhard Simon zurecht. "Wir haben uns an die Gesetze zu halten."
Die Politik halte mit der gesellschaftlichen Entwicklung nicht Schritt, klagte der Anwalt am Rande der Sitzung. Auch in Deutschland hielten sich die Ärzte nicht an die Drei-Embryonen-Vorschrift, sagte sein Mandant und verwies auf das In-vitro-Fertilisations-Register. Demnach würden durchschnittlich 9,34 befruchtete Eizellen pro Behandlungszyklus übertragen.
Beihilfe zum Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz
Die im Ausland behandelnden Mediziner handeln legal. Wer in Deutschland Patientinnen für sie wirbt, macht sich hingegen nach geltender Rechtslage der Beihilfe zum Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz schuldig. Die Staatsanwaltschaft hat die Verfahren fast aller Gynäkologen gegen vierstellige Geldbußen eingestellt. Der KID-Leiter bekam einen Strafbefehl über 75.000 Euro (300 Tagessätze zu je 250 Euro). Mehr als 50 Patientinnen sollen als Zeugen befragt werden. Die Verteidigung sprach von einem "völlig unverhältnismäßigen Spießrutenlaufen der Frauen".