Geschmackszellen schützen vor Infektionen
An verschiedenen Stellen im Körper befinden sich Gewebe, die solitäre chemo-sensorische Zellen enthalten. Sie existieren im gesamten Darm, in den Harnwegen, in der Nase, und Forscher aus den USA und China fanden sie nun auch in der Gingiva. Diese speziellen Zellen exprimieren Rezeptoren für bitteren Geschmack, sind aber auch in der Lage, pathogene bakterielle Metabolite zu erkennen und das Immunsystem daraufhin anzuregen.
Geschmacksempfinden steht in Zusammenhang mit Immunabwehr
Eines der Schlüsselproteine bei der Geschmacksübertragung von Süß und Bitter ist Gustducin. Es löst nach Bindung an den Membranrezeptor der Geschmackszelle eine Signalkaskade aus, an deren Ende die Erregung des Geschmacksnerven steht. Ein Team aus Geschmacksforschern und Biologen untersuchte die Auswirkungen der Geschmackskaskade bei Bitterstoffen auf das orale Mikrobiom und die Wirtsabwehr in einem Mäusemodell.
In Tieren, bei denen das Gustducin ausgeschaltet war beziehungsweise die genetisch so verändert waren, dass sie keine solitären Geschmackszellen mehr in der Gingiva hatten, vermehrten sich die oral-pathogenen Keime und die Tiere litten eher an alveolarem Knochenverlust. Umgekehrt förderte die Stimulation der Rezeptoren für bitteren Geschmack in den chemo-sensorischen Zellen die Produktion antimikrobieller Moleküle.
Um die Funktion dieser chemo-sensorischen Zellen in der Gingiva genauer zu erforschen, träufelten die Wissenschaftler den Mäusen den Bitterstoff Denatonium auf das Zahnfleisch. Das aktivierte die chemo-sensorischen Zellen im Zahnfleisch einerseits und die Freisetzung von antimikrobiellen Molekülen andererseits. Bei den gesunden Mäusen reduzierte dies eine experimentell hervorgerufene Parodontitis. Bei den Mäusen ohne Gustducin blieb diese Schutzwirkung aus.
Nachdem die Mäuse den Bitterstoff erhalten hatten, war das Level des sekundären Botenstoffs β-Defensin mehr als doppelt so hoch als bei den Kontrollmäusen, die eine Kochsalzlösung erhalten hatten. Defensine sind ein Teil der unspezifischen Immunabwehr. Sie werden auf Haut- und Schleimhautoberflächen exprimiert und wirken gegen verschiedene Bakterien, Pilze, Viren und Protozoen. Wenn die Forscher den Mäusen ohne Gustducin den Bitterstoff verabreichten, gab es keine Auswirkung auf den Gehalt an β-Defensin.
Neuer Ansatz für eine personalisierte Parodontitistherapie?
"Unsere Studie ergänzt eine wachsende Liste von Geweben, von denen wir heute wissen, dass sie chemo-sensorische Zellen enthalten, und zeigt, dass die gemeinsamen molekularen Wege in diesen Zellen in der Gingiva an der Regulation oraler Mikrobiota beteiligt sind", sagte Zellbiologe und Mitautor der Studie Marco Tizzano.
Aufgrund dieser Studie und noch unveröffentlichten Arbeiten am Menschen erwarten die Forscher eine ähnliche Regulierung des oralen Mikrobioms durch chemo-sensorische Zellen auch bei Menschen. Hier gibt es häufig genetische Unterschiede bei den Geschmacksrezeptoren. Gerade Personen, die einen Ausfall des Rezeptors für bittere Stoffe (TAS2R38) haben, könnten genetisch bedingt eine Dysfunktion in der Rezeptor-vermittelten Immunantwort haben.
Möglicherweise könnten solche Personen eines Tages mit einem Chair-Side-Screening als besonders empfänglich für orale Infektionserkrankungen herausgefiltert werden. Die chemo-sensorischen Zellen könnten hier einen Ansatz für eine personalisierte Parodontitisbehandlung bieten.
Zheng, X., Tizzano, M., Redding, K. et al. Gingival solitary chemosensory cells are immune sentinels for periodontitis. Nat Commun 10, 4496 (2019). www.nature.com/articles/s41467-019-12505-x, www.sciencedaily.com/releases/2019/10/191003074848.htm