Gesundheits-Apps sind noch nicht in der Versorgung angekommen
Zu wenig Detailwissen und falsche Erwartungen führten dazu, dass DiGA zurückhaltend verordnet werden und deren Einsatz oftmals vorzeitig abgebrochen wird, heißt es in dem Report. Die Untersuchung basiert auf Umfragen unter mehr als 1.700 Patientinnen und Patienten sowie unter 1.000 Ärztinnen, Ärzten, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit Patientenkontakt.
Obwohl ihre Verordnung seit Herbst 2020 auf Kassenkosten möglich ist, sind die DiGA dem Arztreport zufolge noch lange nicht in der medizinischen Versorgung Deutschlands angekommen. In zwölf Monaten vor der Befragung Ende 2023 hatten 44 Prozent der Behandelnden keine DiGA verordnet, ein Drittel hatte sich selbst einen schlechten Kenntnisstand zum Thema bescheinigt. Unter den befragten Versicherten hatten etwa 600 Personen die DiGA nicht über die vorgesehene Erstanwendungsdauer von 90 Tagen genutzt, darunter 230 weniger als einen Monat.
Der Einsatz von DiGA steckt noch in den Kinderschuhen
„Die Inhalte der digitalen Anwendungen müssen unbedingt einheitlich und verständlicher als bislang im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte dargestellt werden“, forderte Barmer-Chef Prof. Dr. Christoph Straub. Davon würden sowohl die Leistungserbringenden als auch die Patientinnen und Patienten profitieren. Er forderte für die Versicherten einen Testzeitraum der DiGA von 14 Tagen anstatt der bislang gängigen Verordnung über 90 Tage. Hier stehe vor allem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in der Pflicht. Die Informationen müstsen in dem dortigen DiGA-Verzeichnis einheitlich und verständlich dargestellt werden. Das wäre wichtig, um enttäuschten Erwartungen aus Patientensicht vorzubeugen.
„Der Einsatz von DiGA steckt noch in den Kinderschuhen,“ sagte Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Autor des Arztreports und Geschäftsführer des aQua-Instituts in Göttingen. Auf längere Sicht könnten sie aber ein wertvoller Bestandteil in der Versorgung der Patientinnen und Patienten werden. Das Fundament hierfür sei mehr Transparenz,“ erklärte er.
Die Appes werden vorrangig Frauen verordnet
Dem Report zufolge werden DiGA vor allem Patientinnen und Patienten im erwerbsfähigen Alter – vorrangig Frauen – verordnet. Geringe Verordnungsraten bei Jüngeren resultierten aus dem oftmals für DiGA-Anwendungen geforderten Mindestalter von 18 Jahren. Niedrige Verordnungsraten bei Menschen jenseits des 70. Lebensjahres deuteten auf eine bislang geringere Affinität zu digitalen Anwendungen hin, hieß es bei der Vorstellung des Reports. Außerdem stünden DiGA bisher erst nur für wenige Erkrankungen zur Verfügung. Dazu zählten Depression, Adipositas, Tinnitus und Krankheiten des Bewegungsapparats.
47 Prozent der Behandelnden sind laut Report der Meinung, dass eine DiGA die Behandlung häufig oder sehr häufig sinnvoll unterstützt. Laut einer Umfrage der Barmer unter 1.000 Behandlerinnen und Behandlern verschiedener Disziplinen wissen zwar 95 Prozent von ihnen durchaus, was DiGA sind, allerdings sind für sie vor allem die Informationen zu einzelnen DiGA oft unzureichend.
Das DiGA-Verzeichnis des BfArM wird als Infoquelle von Ärzten nur wenig genutzt
Insbesondere das DiGA-Verzeichnis des BfArM wird als Informationsquelle von den Behandelnden nur wenig genutzt. Viele Ärzte sind laut Umfrage aber durchaus der Meinung, dass eine DiGA häufig oder sehr häufig die Behandlung sinnvoll unterstützt. Nicht zuletzt spielen offenbar auch eigene Erfahrungen und die digitale Affinität eine zentrale Rolle, inwieweit DiGA verordnet werden oder nicht. Demnach verschreiben die Behandelnden mehr als doppelt so häufig die digitalen Helfer, wenn sie selbst häufiger Gesundheits-Apps nutzen, heißt es in dem Report.
Nach Hochrechnungen wurden bis Ende 2023 insgesamt rund 600.000 DiGA über die GKV verordnet oder beantragt, etwa 100.000 im Jahr 2021, 200.000 in 2022 und 300.000 in 2023. Im Vergleich zu anderen Leistungen spielen DiGA in der ambulanten Versorgung damit aktuell noch eine eher geringe Rolle, heißt es in dem Report. Die Gesamtzahl der DiGA-Verordnungen in drei Jahren bewege sich beispielsweise in der Größenordnung der jährlich zur Krebsfrüherkennung durchgeführten Darmspiegelungen. Allerdings stehe die Entwicklung von DiGA auch nach gut drei Jahren noch relativ am Anfang.