Studie

Gesundheitsthemen sind auf Wikipedia zu schwer verständlich

mg
Gesellschaft
Für die breite Bevölkerung ist Wikipedia keine geeignete Informationsquelle zu Gesundheitsthemen, zeigt eine Studie. Die Texte seien zu schwer verständlich, viele setzten eine Hochschulbildung voraus.

MedizininformatikerInnen der Hochschule Heilbronn untersuchten Wikipedia-Artikel in deutscher (n=6.024), englischer (n=6.127) und russischer (n=3.314) Sprache, die sich mit Gesundheitsthemen beschäftigen und bewerteten die Lesbarkeit der Texte mithilfe des Lesbarkeitsindex "Flesch-Reading-Ease" (FRE). Dieser beschreibt mithilfe des numerischen FRE-Score, wie leicht ein Text verständlich ist. Je höher der Wert ist, desto leichter verständlich ist der Text. Gut verständliche Texte weisen dabei einen Wert von etwa 60 bis 70 auf.

Die meisten krankheitsbezogenen Artikel – konkret 99,7 Prozent der deutschen Texte, 96,9 Prozent der englischen Texte und 79,9 Prozent der russischen Texte – hatten laut Untersuchung jedoch einen FRE-Score von unter 50, was auf schwierigen oder sehr schwierigen Stoff hindeute, erläutern die WissenschaftlerInnen. Für Artikel mit ICD-10-Diagnoseschlüsseln betrugen die mittleren FRE-Werte sogar nur 20,33 (Deutsch), 28,69 (Englisch) und 38,54 (Russisch).

Textgestaltung erzeugt eine Barriere zur Informationsgewinnung

Die deutschsprachigen Wikipedia-Beträge bewerteten die Forschenden außerdem mit der sogenannten Wiener Sachtextformel. Diese gibt an, für welche Schulstufe ein Sachtext geeignet ist. Die Skala reicht von der Schulstufe 4 bis Schulstufe 12 und weiter bis zur Schwierigkeitsstufe 15. Ein Wert von 4 steht demnach für einen sehr leichten Text, dagegen bezeichnet 15 einen sehr schwierigen Text.

Ergebnis: Die untersuchten Texte erreichten Schwierigkeitsstufen von 13 bis 14. „Im Fall von Gesundheitskommunikation würde man jedoch empfehlen, dass Texte bereits von SchülerInnen der Mittelstufe verstanden werden sollten”, erklärt Co-Autor Martin Wiesner. Schwer lesbare Texte zu gesundheits- oder krankheitsbezogenen Themen erzeugten sonst eine Barriere im Umgang mit Informationen aus dem Internet.

Die IDee: Software könnte AutorInnen vor schwierigen Formulierungen warnen

Fazit der AutorInnen: Krankheitsbezogene englische, deutsche und russische Wikipedia-Artikel können nicht als Patientenaufklärungsmaterial empfohlen werden, da ein großer Teil schwer oder sehr schwer zu lesen ist. Die Autoren von Wikipedia-Seiten sollten das vorhandene Textmaterial sorgfältig überarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit sollte Artikeln über psychische, Verhaltens- und neurologische Entwicklungsstörungen gewidmet werden, da diese Artikel im Vergleich zu anderen Themen am schwierigsten zu lesen waren. 

Die Empfehlung der StudienautorInnen lautet daher, den NutzerInnen von Wikipedia Werkzeuge wie etwa leicht verständliche Kurzzusammenfassungen anzubieten, die es erlauben, Sachverhalte besser zu erschließen. Denkbar sei auch, Wikipedia-AutorInnen Lesbarkeitsindikatoren anzuzeigen, die im Hintergrund automatisch berechnet werden und vor der Veröffentlichung davor warnen, wenn Texte schwer oder sehr schwer lesbar sind.

Gordejeva J, Zowalla R, Pobiruchin M, Wiesner M, Lesbarkeit von englischen, deutschen und russischen Krankheitsseiten: Automated Computational Analysis, J Med Internet, Res 2022;24(5):e36835,doi: 10.2196/36835, PMID: 35576562

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