Grundsatzurteil für Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten
Im August 2020 flog ein Berliner Angestellter in die Türkei, um dort die Beerdigung eines Verwandten zu besuchen. Unmittelbar vor und nach seiner Reise ließ er einen PCR-Test durchführen – mit negativem Ergebnis. Indem er seiner Arbeitgeberin ein ärztliches Attest über seine Symptomfreiheit vorlegte, kam er den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise nach.
Die Arbeitgeberin verweigerte dem Kläger jedoch für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte keinen Lohn. Zu dem Zeitpunkt sahen die Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot für Rückkehrer aus einem Risikogebiet vor. Daran orientierte sich die Arbeitgeberin im Rahmen des erstellten Hygienekonzepts für den Betrieb.
Nun gaben auch die obersten Arbeitsrichter dem Angestellten recht: Denn die Quarantäne einschließlich des Betretungsverbots galt nach der damaligen Verordnung nicht für Personen, die ein ärztliches Attest zur Symptomfreiheit besitzen – nebst aktuellem Negativ-Laborbefund, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde.
Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzug
Das Gericht stellte damit in zweiter Instanz fest, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befand. Der Annahmeverzug ist im Schuldrecht das Gegenstück vom Schuldverzug und liegt dann vor, wenn ein Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.
Mit seiner Klage verlangte der Angestellte die Vergütung wegen Annahmeverzugs, da seine Chefin ihm zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert habe. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte der Klage bereits stattgegeben. Die Klägerin veranlasste daraufhin die Revision.
Die Weisung der Chefin war unwirksam
„Das [...] Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde“, hielten die Erfurter Richter fest. „Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, war außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam.“
Die Chefin habe dem Angestellten nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Dadurch hätte sie den erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.
Bundesarbeitsgericht ErfurtAz.: AZR 154/22Urteil vom 10. August 2022Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-BrandenburgUrteil vom 2. März 2022AZ.: 4 Sa 644/21