Hat Spahn die Impfkampagne eher behindert als gefördert?
So warf Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) Spahn vor, er rationiere mit BioNTech ausgerechnet den Impfstoff mit der höchsten Akzeptanz in der Bevölkerung. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bezeichnete das Vorgehen als inakzeptabel. Bei der anstehenden Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) soll über die Bestellgrenzen gesprochen werden, kündigte er an.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte dringend vor einer Verlangsamung des Impftempos. Fakt sei, dass nach Angaben des Ministeriums ab dem 23. November pro Vertragsarzt und Woche nur noch 30 Dosen BioNTech bestellt werden können. Das BMG kontingentiere damit die Bestellmöglichkeiten für die Praxen für diesen Impfstoff, mit dem die meisten Patienten ihre Grundimmunisierung erhalten hätten und den sie gewohnt seien.
Die KBV prognostizierte, dass der Beratungs- und Aufklärungsbedarf in den Praxen enorm sein werde. Die Haus und Fachärzte würden derzeit ihre Kapazitäten wieder hochfahren und in Kürze auf einen Impfrekord zusteuern. Da sei es fatal, wenn das Bundesgesundheitsministerium ihnen Knüppel zwischen die Beine werfe. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns forderte, dass Spahns „gravierende Fehlentscheidung“ revidiert werden müsse.
Ein falsches Signal?
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, betonte, der Minister habe sich und der Impfkampagne mit seiner Ankündigung keinen Gefallen getan. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sprach von einem ganz falschen Signal. Es sei ein riesiges Problem, wenn im Moment alle Kräfte gebündelt würden, um zu impfen, und dass dann der in Deutschland beliebteste Impfstoff in seiner Verfügbarkeit begrenzt sei.
Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) sprach von einer „Vollbremsung auf gerader Strecke“. Der Berliner Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz verwies auf die Herausforderungen in den Impfzentren. Nach erfolgter Erstimpfung könne man nicht einmal die Zweitimpfungen in der vollen Anzahl durchführen, monierte er.
Moderna: ein guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff
Auf einer Pressekonferenz heute nahm Spahn zusammen mit Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, und Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe für Infektionsimmunologie und Impfstoff-Forschung der Berliner Charité, zu den Vorwürfen Stellung und verteidigte die Rationierung: Moderna sei ein guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff.
Das Vakzin von BioNTech sei der Mercedes und der von Moderna der Rolls-Royce. Der Impfstoff von BioNTech mache derzeit über 90 Prozent der Bestellungen aus, betonte der Minister. Allein heute und morgen würden sechs Millionen BioNTech-Dosen aus den Lagern in die Versorgung gehen. In den Folgewochen seien es jeweils zwei bis drei Millionen Dosen. Bis zum Jahresende stünden insgesamt 24 Millionen BioNTech-Dosen zur Verfügung. Cichutek sagte, beide Impfstoffe seien gleichwertig. Ihr Wirkungsgrad liege bei mehr als 90 Prozent und die Impfreaktionen seien bei beiden sehr gering.
Am Wochenende hatte Spahnin einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei Bestellmengen für den BioNTech-Impfstoff angekündigt. Stattdessen solle der Impfstoff von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen verstärkt eingesetzt werden. Verwiesen wurde auch darauf, dass andernfalls ab Mitte des 1. Quartals 2022 eingelagerte Moderna-Dosen zu verfallen drohten. Aktuell mache der Impfstoff von BioNTech mehr als 90 Prozent der Bestellungen aus. Praxen sollten demnach zunächst höchstens 30 Dosen BioNTech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1.020 Dosen.
Die Zeitung "Die Welt" weist unterdessen auf eine Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums hin, aus der hervorgeht, dass Deutschland in diesem Monat voraussichtlich fast 8,8 Millionen Dosen BioNTech über die Initiative Covax an Drittstaaten spenden wird oder gespendet hat.