Im Zweifel ist es eine Meinungsäußerung
Im vorliegenden Fall hatte eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH eine miese Bewertung als Arbeitgeberin bekommen. Darum begehrte sie eine gerichtliche Anordnung, die das Bewertungsportal zur Auskunft über die Daten des bewertenden Nutzers verpflichtete. Sie berief sich dabei auf § 21 Abs. 2 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes (TDDDG).
Unter der Rubrik „Vorgesetztenverhalten“, die insgesamt mit einem Stern bewertet wurde, beschrieb der Nutzer zunächst das Verhalten der Geschäftsführung der Antragstellerin gegenüber aktiven Mitarbeitern („glänzt durch Abwesenheit“, „Angestellte sollen nur so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich machen“). Abschließend tätigte er folgende, von der Antragstellerin beanstandete Äußerung: „Seine Krönung findet solches Vorgesetztenverhalten darin, dass ausgeschiedene Mitarbeiter ausstehendes Gehalt und sogar die Erteilung von Arbeitszeugnissen gerichtlich durchsetzen müssen“.
Schon beide Vorinstanzen wiesen das Auskunftsbegehren zurück
Fakt ist jedoch: In der Vergangenheit gab es nur einen ausgeschiedenen Mitarbeiter, der seine Ansprüche auf Zahlung ausstehenden Gehalts beziehungsweise Erstellung eines Zeugnisses gegen die Antragstellerin mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen musste. Die Antragstellerin macht darum geltend, mit der von ihr beanstandeten Äußerung werde die unwahre Behauptung aufgestellt, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern ihren Arbeitslohn oder ihr Arbeitszeugnis von der Antragstellerin regelmäßig nur auf dem Klageweg erhielten.
Beide Vorinstanzen hatten den Antrag der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH auf Gestattung und Verpflichtung des Portals zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Bestands- und Nutzungsdaten zurückgewiesen – in Bezug auf den Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten hatte das Oberlandesgericht Köln die Rechtsbeschwerde jedoch zugelassen. Darum landete der Fall beim BGH.
Der BGH legt die Latte für einen Straftatbestand hoch an
Der entschied jedoch, dass eine Bestandsdatenauskunft nach § 21 Abs. 2 TDDDG nur bei Vorliegen einer der dort genannten Straftatbestände erfolgen muss. Sei die beanstandete Äußerung als Werturteil zu qualifizieren, scheide eine Verwirklichung der Tatbestände der §§ 186, 187 StGB aus. Weiter heißt es: „Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.“ Das Gericht ging in seinem Urteil noch weiter: Stehe die Erfüllung eines Straftatbestands in Rede, müssten bei mehrdeutigen Äußerungen „andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden“, bevor die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt werden darf. „Wenn eine straflose Bedeutung nicht ausschließbar ist, ist diese der Beurteilung zugrunde zu legen.“
Nach Ansicht der Karlsruher Richterinnen und Richter hatte sich der Nutzer im verhandelten Fall weder der Beleidigung, der üblen Nachrede noch der Verleumdung strafbar gemacht. Der BGH schloss Üble Nachrede und Verleumdung direkt aus, weil es sich dabei nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil handele. Die beanstandete Äußerung knüpfe unmittelbar an die Missbilligung des Führungsverhaltens an. Zwar seien auch Tatsachenelemente darin enthalten, aber die Unmutsbezeugung stehe eindeutig im Vordergrund. Der Durchschnittsleser würde auch nicht annehmen, argumentiert das Gericht, dass gekündigten Arbeitnehmern jeweils der letzte Lohn nur nach gerichtlicher Durchsetzung gezahlt werde.
Der BGH sah auch keine Beleidigung gegeben. Im Rahmen der Abwägung habe das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin hinter dem Recht auf Meinungsfreiheit des bewertenden Nutzers zurückzutreten. Denn die tatsächlichen Elemente von dessen insgesamt als Meinungsäußerung zu qualifizierender Äußerung seien wahr. Schließlich habe der ausgeschiedene Mitarbeiter sein ausstehendes Gehalt und die Erteilung eines Arbeitszeugnisses gerichtlich gegen die Antragstellerin durchsetzen müssen.
Das Fazit des BGH lautet: „Bei dieser Sachlage erweist sich die beanstandete Äußerung als zulässige Kritik des von der Antragstellerin gegenüber ihren Mitarbeitern gezeigten Verhaltens.“
Den Volltext der Entscheidung finden Sie hier.
Bundesgerichtshof
Az.: VI ZB 79/23
Beschluss vom 11.03.2025
Vorinstanzen:
Landgericht Köln
Az.: 28 O 439/23
Entscheidung vom 21.09.2023
Oberlandesgericht Köln
Az.: 15 W 113/23
Entscheidung vom 12.10.2023