Ischgl: Schwere Fehler beim Corona-Management
Die Verantwortlichen und Mitarbeiter der Behörden des Landes Tirol hätten - oft unter großem Zeitdruck - in dieser beispiellosen Krisensituation ein großes Arbeitspensum bewältigt. Dabei sei es aber in einem Bezirk zu folgenschweren Fehleinschätzungen gekommen.
Hintergrund
Hintergrund
So hätten die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck auf die ihnen am 5. und 6. März bekannt gewordenen Infektionen der aus Ischgl zurückgekehrten isländischen Gäste durch breit angelegte Testungen und Ermittlung von Kontaktpersonen vorerst prompt reagiert.
Aber:
1. Der Betrieb der Seibahnen und Skibusse wurde später als erforderlich eingestellt.
"Ab 8. März hätte eine richtige Einschätzung des Infektionsverlaufs dazu geführt, an diesem Tag mit Schließung des Après-Ski-Lokals „Kitzloch“ in Ischgl vorzugehen und im Laufe des 9. März die Beendigung des Seilbahn-und Schibusbetriebs, die Schließung aller Après-Ski-Lokale und die Untersagung von Menschenansammlungen zu verordnen. Das Zuwarten mit der Verordnung zur Beendigung des Skibetriebs bis 12. März war aus epidemiologischer Sicht falsch."
Dass die Schließung aller Après-Ski-Lokale in Ischgl nicht spätestens mit Montag, dem 9. März, erfolgte, ist ebenso als Fehleinschätzung des Infektionsverlaufs anzusehen, wie das Unterbleiben des Erlassens einer Verordnung zur Beendigung des Seilbahn- und Skibusbetriebes im Lauf des 9. März. Ebenso hätten spätestens im Laufe dieses Tages zielführende Maßnahmen getroffen werden müssen, um Menschenansammlungen in weiten Bereichen zu reduzieren und die Schließung von Gaststätten, die nicht der Grundversorgung dienen, zu verfügen. Gleichzeitig mit diesen Maßnahmen hätte eine gestaffelte Abreise der Gäste im Laufe der restlichen Woche unter Anordnung entsprechender Kontrollmaßnahmen geplant und durchgeführt werden müssen."
2. Die überraschende Verhängung der Quarantäne durch Kurz führte zu Chaos bei den Abreisen
"Die Ankündigung der Verhängung der Quarantäne über das Paznauntal und über St. Anton a. A. durch den österreichischen Bundeskanzler erfolgte überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung. Es fehlte an Kommunikation und Einbeziehung der allein zuständigen Bezirkshauptmannschaft Landeck. Ab Erkennbarkeit der Infektionsgefahr wäre ein kontrolliertes Abreisemanagement zu planen und umzusetzen gewesen.
Die missverständliche Ankündigung des Bundeskanzlers hätte für die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck Anlass sein müssen, sofort im Wege der Tourismusverbände dahingehend zu informieren, dass die Abreise der ausländischen Gäste nicht sofort, sondern gestaffelt und kontrolliert über das Wochenende erfolgen kann und muss."
Methode
Methode
3. Das Ministerium veröffentlichte trotz besseren Wissens nicht den überarbeiteten Pandemieplan
"Das in mittelbarer Bundesverwaltung zuständige Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat trotz frühem Wissen über die Ansteckungsgefahr den überarbeiteten Pandemieplan nicht veröffentlicht. Das veraltete Epidemiegesetz 1950 wurde weder - für die nachgeordneten Behörden erkennbar - auf seine Anwendbarkeit in Tourismusgebieten geprüft, noch wurden rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobilität anzupassen. Auch wurden praktikable Auslegungsmöglichkeiten des Gesetzes nicht wahrgenommen. Dadurch wurden die Bezirksverwaltungsbehörden in ihrer Entscheidungsfindung nicht unterstützt und das erforderliche rasche Eingreifen behindert."
Chronologie
Chronologie
Am 31. Dezember 2019 wurde die WHO über Fälle von Lungenentzündungen mit unbekannter Ursache in Wuhan, China, informiert.
Am 7. Januar identifizierten die chinesischen Behörden den neuartigen “Covid-19-Virus”.
Die Erkenntnis, dass der Virus von Mensch zu Mensch übertragen wird, wurde am 20. Januar bekannt geworden.
Am 11. März erklärte die WHO den Ausbruch einer Pandemie. Das war rund eine Woche nachdem die Bezirksverwaltungsbehörde in Landeck von den Infektionen isländischer Gäste erfahren hatte. Die bei infizierten Gästen aus Ischgl gefundenen Viren passten nach der Analyse der Genomdaten zum Mutationsprofil der Virenstämme von Fällen in einem französischen Skiresort, wohin Ende Januar 2020 ein Gast aus Singapur, der Kontakt zu einem Chinesen aus Wuhan hatte, eingereist war.