Jeder zehnte Deutsche arbeitet „suchthaft“
Zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten suchthaft, zeigen aktuelle Studienergebnisse von Forschenden des Bundesinstituts für Berufsbildung. Betroffene arbeiten nicht nur sehr lang, schnell und parallel an unterschiedlichen Aufgaben, sie können auch nur mit schlechtem Gewissen freinehmen und fühlen sich oft unfähig, am Feierabend abzuschalten und zu entspannen. Das geht auf die Gesundheit: Suchthaft Arbeitende stufen ihren Gesundheitszustand etwa doppelt so häufig als weniger gut oder schlecht ein wie nicht betroffene Erwerbstätige. Deutlich häufiger als andere haben sie körperliche oder psychosomatische Beschwerden, suchen deswegen aber seltener ärztliche Hilfe.
Die Studie beruht auf Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, für die in den Jahren 2017 und 2018 gut 8.000 Erwerbstätige zu ihrem Arbeitsverhalten und ihrem Wohlbefinden befragt worden sind. Die Forschenden ordnen rund ein Zehntel der Befragten in die Kategorie „suchthaftes Arbeiten“ ein. Das heißt, diese Erwerbstätigen arbeiten nicht nur „exzessiv“, sondern auch „zwanghaft“ – wobei Ersteres wesentlich weiterverbreiteter ist.
Selbstständige sind besonders häufig betroffen
Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen mit 10,8 Prozent etwas häufiger betroffen sind als Männer mit 9 Prozent. Mit dem Alter nimmt das suchthafte Arbeitsverhalten eher ab, erklären die Forschenden. Selbstständig Arbeitende zeigen wesentlich häufiger arbeitssüchtiges Verhalten als Festangestellte. Auch bei Menschen in Führungspositionen tritt dieses Verhalten häufiger auf. Die Betriebsgröße kann ebenfalls einen Einfluss haben: Je größer der Betrieb, desto seltener tritt suchthaftes Arbeitsverhalten auf.
Gesundheitliche Beschwerden sind bei suchthaft Arbeitenden häufiger. Dazu zählen insbesondere psychosomatische Beschwerden, etwa Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit, aber auch Muskel- und Skelettbeschwerden wie Rückenschmerzen. Suchthaft Arbeitende gehen wegen ihrer Beschwerden zudem seltener zu Ärztinnen oder Ärzten. Einen deutlichen Unterschied machen die Forschenden auch bei den Fehltagen aus. Mit 45 Prozent meldete sich fast die Hälfte der suchthaft Arbeitenden an keinem einzigen Tag im Jahr vor der Befragung krank.
Mögliche langfristige Folgen bei suchthaftem Arbeiten sind erhöhte Risiken für Burnout oder depressive Verstimmungen – psychische Leiden, die zu langwierigen Arbeitsausfällen führen können. Exzessivem und zwanghaftem Arbeiten vorzubeugen, erscheint auch vor dem Hintergrund zunehmender Fachkräfteengpässe angezeigt, betonen die Forschenden. Ansatzpunkte seien die Gesundheitsförderung, Änderungen der Betriebskultur sowie die Mitbestimmung durch Betriebsräte.
Beatrice van Berk, Christian Ebner und Daniela Rohrbach-Schmidt: Suchthaftes Arbeiten und Gesundheit, Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 482, April 2023.