Studie zur Diskriminierung bei Bewerbungsverfahren

Junge Männer werden seltener für „Frauenberufe” eingeladen

LL
Gesellschaft
Wie steht es um die Diskriminierung von jungen Frauen und Männern bei Bewerbungen für Berufe, die vom anderen Geschlecht dominiert werden? In einer Studie wurde anhand der Arbeitgeberrückmeldungen untersucht, ob es dabei Benachteiligungen gibt.

Ein Forschungskonsortium der Universitäten Oslo, Carlos III in Madrid und Amsterdam hat die Reaktionen von Arbeitgebern auf rund 4.300 Bewerbungen in Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, im Vereinigten Königreich sowie in den USA ausgewertet. Junge Frauen und Männer im Alter von 22 bis 26 Jahren hatten sich auf die in sechs Berufsgruppen ausgeschriebenen Stellen beworben, darunter Jobs in der Lohnbuchhaltung, am Empfang, im Vertrieb und im Verkauf sowie als Koch oder als Softwareentwickler. 

Diskriminierung ist schwer zu messen

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wird als ein wesentlicher Nachteil auf dem Arbeitsmarkt angeführt, obwohl Studien dazu unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht haben. Ein Vergleich zwischen den Studien in verschiedenen Ländern war bislang aufgrund unterschiedlicher Forschungsdesigns schwierig. Auch liegen zum Thema vorrangig Beobachtungsstudien vor, die nicht empirisch zwischen Angebot- und Nachfrageaspekten unterscheiden.

Für die Auswertung konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal Daten aus einem harmonisierten, sprich genormten und vergleichenden Feldexperiment zu geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei Einstellungen anwenden. Das Studiendesign ließ daher erstmals einen realen Vergleich zwischen den Ländern zu. Bei der Untersuchung wurden unter anderem die Rückrufe der Arbeitgeber bei den Bewerberinnen und Bewerbern verglichen.

Nur in Norwegen und den USA gab es keine messbare Benachteiligung

Obwohl sich die einbezogenen Länder in einer Reihe institutioneller, wirtschaftlicher und kultureller Aspekte unterscheiden, fanden die Wissenschaftler in keinem Land Anzeichen für eine Diskriminierung von Frauen. Dieses länderübergreifende Ergebnis betrachten die Autoren als einen wichtigen Erkenntnisgewinn.

Allerdings stellten sie umgekehrt eine Diskriminierung von Männern in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich fest (keine Diskriminierung von Männern gab es in Norwegen und den Vereinigten Staaten). Denn bei der Auswertung kam heraus, dass Arbeitgeber, obwohl sie in unterschiedlichen institutionellen Kontexten agieren, Bewerberinnen als geeigneter für Stellen in Frauen dominierten Berufen ansehen.

Damit widerlegt die Feldstudie die verbreitete Annahme, dass Frauen allgemein eher als Männer bei Bewerbungsverfahren diskriminiert werden. Gezeigt werden konnte vielmehr, dass Männer, die sich auf von Frauen dominierte Berufe bewerben, zum Teil während des Verfahrens Nachteile erfahren. Sie wurden in vier der sechs untersuchten Länder seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Das traf umgekehrt bei jungen Frauen, die sich auf Männer dominierte Jobs bewarben, nicht zu.

Die Studie hat jedoch zwei Einschränkungen: Zum einen wurde hier nur die frühe Phase der Bewerbungsverfahren betrachtet. Außerdem umfasst sie ausschließlich junge Bewerber mit vier Jahren Berufserfahrung. Insofern erlaubt die Studie keine Rückschlüsse auf Diskriminierung im Berufsleben im Allgemeinen.

Gunn, E. B. et al.: „Gender Discrimination in Hiring: Evidence from a Cross-National Harmonized Field Experiment”, European Sociological Review, 2021;, jcab043,https://doi.org/10.1093/esr/jcab043

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