Kaiser mit robuster Konstitution

Kay Lutze
Gesellschaft
Zum 1200. Todestag am 28. Januar werden die Historiker den "ersten Kaiser der Deutschen“ wieder genau unter die Lupe nehmen. Was kaum einer weiß: Karl der Große erfreute sich einer sehr robusten Gesundheit.

Zu seinem Todestag fragen wir aber weder nach der welthistorischen Bedeutung Karls noch nach seinen aus heutiger Sicht brutal geführten Sachsenkriegen. Karl der Große (2. April 747 bis 28. Januar 814) wurde 66 Jahre alt und übertraf damit die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen im Frankenreich zwischen dem 8. und dem 9. Jahrhundert um Jahrzehnte. Untersuchungen an seinen Überresten lassen auf eine robuste Konstitution schließen.

Ständig unterwegs

Seine Lebensumstände wären für einen modernen Menschen wohl nur schwer erträglich: Er reiste ständig von Pfalz zu Pfalz und war oft im Krieg. Im Laufe seines Lebens verlief sein Itinerar (sein Reiseweg) mehrere Tausend Kilometer quer durch Europa: von St. Denis im heutigen Frankreich bis nach Salzburg und in den Norden des Reiches. Mehrere Male überschritt der Frankenkönig die Alpen nach Italien, zuletzt zur Kaiserkrönung im Jahre 800 in Rom. Ein Feldzug führte ihn 778 auch über die Pyrenäen nach Zaragoza und Pamplona. Dennoch erreichte Karl ein für die damalige Zeit hohes Alter.

Er überlebte selbst seine Söhne und Töchter

Dass dies auch in adligen Kreisen nicht selbstverständlich war, zeigt die Tatsache, dass Karl seine Ehefrauen Hildegard (†783), Fastrada (†794) und Luitgard (†800) sowie seine Söhne Lothar (†779), Karlmann (†810), Pippin (†811) und Karl (†811) und drei seiner Töchter überlebte. Erst Kaiser Friedrich I. Barbarossa erreichte im 12. Jahrhundert als Herrscher ein etwas höheres Alter.

Über die Lebensumstände Karls wissen wir vor allem von seinem Biografen Einhard (um 770 bis 840), der Karl selbst erlebt hat und in der "Vita Karoli Magni“ über den Herrscher schrieb. Den Herbst des Jahres 813 verbrachte der Kaiser laut Einhard auf der Jagd in der Nähe von Aachen. Nachdem er zum Überwintern nach Aachen zurückgekehrt war, musste sich der Kaiser "von einem heftigen Fieber ergriffen, zu Bett legen. Er gebot für sich sogleich, wie er es beim Fieber immer tat, ein Fasten, in der Meinung durch diesen Verzicht die Krankheit bezwingen oder wenigstens lindern zu können."

Als aber "zum Fieber noch Seitenschmerzen hinzutraten, und er immer noch seine Hungerkur fortsetzte und sein Leib nur durch spärliches Trinken stärkte, so starb er nach Empfang des heiligen Abendmahls“ [Einhardi, Vita Karoli Magni, zitiert nach: Quellen zur Karolingischen Reichsgeschichte, Erster Teil, Nachdruck der Ausgabe Darmstadt 1968, 1987, S. 203] am 28. Januar 814. Möglicherweise erlag der Kaiser einer Lungenentzündung, gegen die die Medizin der Zeit machtlos war. Zudem war die Hungerkur der Genesung sicher nicht förderlich.

Die verhassten Ärzte

Um die Lebensumstände Karls besser verstehen zu können, folgen wir noch weiter den Worten Einhards. Einhard bescheinigt Karl einen "breiten und kräftigen Körperbau" und hervorragende Größe. "In Speise und Trank war er mäßig, mäßiger noch im Trank, denn Trunkenheit verabscheute er …“

Seine Gesundheit beschreibt Einhard als gut, "außer dass er in den vier Jahren vor seinem Tode häufig von Fiebern ergriffen wurde und zuletzt auch mit dem linken Fuße hinkte. Aber auch damals folgte er mehr seinem eigenen Gutdünken als dem Rat der Ärzte, die ihm beinahe verhasst waren, weil sie ihm rieten, dem Braten, den er zu speisen pflegte, zu entsagen und sich an gesottenes Fleisch zu halten.“ Einhard bestätigt, dass Karl sich viel bewegt hat: Er liebte das Reiten, das Schwimmen in warmen Quellen und war gern auf der Jagd [Einhardi, Vita Karoli, S.193-195].

Begehrte Reliquien

Im Jahre 1988 konnten Wissenschaftler die Überreste Karls aus dem Karlsschrein in Aachen untersuchen. Weitere Spezialisten nahmen Jahre später einen Beinknochen unter die Lupe. Ein vollständiges Gebiss ist nicht mehr vorhanden. Karls Überreste sind weit verteilt. Denn nach seiner durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122-1190) initiierten Heiligsprechung am 29. Dezember 1165 durch Rainald von Dassel, dem damaligen Erzbischof von Köln, waren seine Knochen zu begehrten Reliquien geworden.

Der größte Teil seiner sterblichen Überreste, circa 90 Knochen und Knochenfragmente, befindet sich in dem nach 1182 entstandenen Karlsschrein. Die Schädeldecke ruht in der Karlsbüste von 1350 und der linke Oberarmknochen und die rechte Elle und Speiche in dem großen Armreliquiar, das Ludwig XI. von Frankreich (1423-1483) 1481 stiftete. Es gibt noch weitere Reliquiare mit Karls Knochen.

Eine überragende Erscheinung

Die Untersuchungen an den Knochen Karls ergaben für den Kaiser eine Größe von zirka 180 cm, mit denen er die meisten Mitmenschen seiner Zeit überragt haben musste. Der Gesundheitszustand Karls muss in seiner Jugend wohl gut gewesen sein, zudem zeigen die Knochen und Gelenke Karls wenig Verschleiß. Karl der Große muss bis zu seinem Tod eine für sein Alter robuste Konstitution besessen haben.

Blick in die Medizin der Zeit

Wie sah die Behandlung von Kranken zur Zeit Karls des Großen aus? Einen Einblick in die damalige Medizin gibt das Lorscher Arzneibuch (seit 2013 Weltdokumentenerbe), das um 795 im Skriptorium des Klosters Lorsch entstand. Das Kloster Lorsch (Weltkulturerbe seit 1991) wurde 762/ 763 gegründet und erhielt 772 von Karl dem Großen den Rang eines königlichen Eigenklosters. Vom Kloster ist heute noch die sogenannte Königshalle erhalten, die zu den schönsten Zeugnissen karolingischer Architektur zählt. Das Lorscher Arzneibuch gelangte über Kaiser Otto III. (980-1002) zu seinem Nachfolger Heinrich II. (973-1024) als sogenannter Bamberger Codex nach Bamberg, wo es heute zum Bestand der Staatsbibliothek gehört.

Verbrannter Schweineknochen hilft

Sollte Karl der Große unter Zahnschmerzen gelitten haben, findet sich im Lorscher Arzneibuch guter Rat. Gegen Schmerzen der Mahlzähne hilft "ins Ohr geträufelter Saft vom Proserpinenkraut, welches andere Kamille nennen“ [Lorscher Arzneibuch, 2. Buch, 37., zitiert nach: Stoll, Ulrich: Das `Lorscher Arzneibuch´, Ein medizinisches Kompendium des 8. Jahrhunderts, Sudhoffs Archiv, Beiheft 28, Suttgart 1992, S.147].

Schadhafte oder hohle Zähne bekämpfte man durch „Alexandrinische Galläpfel, genügend Nardenblätter, Kostwurz in gleicher Menge wie die Galläpfel, 50 Mastixkörner aus Chios, ein wenig Safran, 60 Pfefferkörner, Schale vom Granatapfel, Rosenblätter in ausreichender Menge: das alles zerstößt man zu Pulver und wendet es an“ [Ebd.]

Das Arzneibuch nennt auch die damaligen Mittel, um Zähne zu weißen. Ein Zahnpulver aus verbranntem und geriebenem Bimsstein, oder Asche vom weißem Blei, sowie verbrannten Schweineknochen und Schweineklauen hilft.

Kay Lutze ist Historiker und Autor und lebt in Hilden. 

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