Kann man Heimbewohner vor COVID schützen?
Forscher um Jan Stratil, Arzt und Epidemiologe am Institut für Public Health und Versorgungsforschung an der Pettenkofer School of Public Health der Ludwig-Maximilians-Universität München, haben nun in einem neuen Cochrane Review untersucht, mit welchen Corona-Maßnahmen man diese vunlerable Gruppe schützen kann.
22 relevante Studien, keine aus Deutschland
Das Team fand insgesamt 22 relevante wissenschaftliche Studien zu Schutzmaßnahmen in stationären Pflegeeinrichtungen. Dabei handelte es sich allerdings um 11 Beobachtungsstudien und 11 Studien auf Basis von mathematischen Modellen - beide Studientypen haben nur eine begrenzte Aussagekraft.
Alle Studien wurden in Europa oder Nordamerika durchgeführt, keine in Deutschland. Die Arbeiten beschrieben eine Reihe von verschiedenen Maßnahmen, darunter solche, die den Eintrag des Virus in die Einrichtungen verhindern, die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung in der Einrichtung reduzieren oder im Falle eines Ausbruchs dessen Folgen begrenzen sollen.
Bei der Auswertung der Studien zeigte sich allerdings, dass derzeit nur begrenzt Aussagen zur Wirksamkeit möglich sind. „Die Studien sind sehr unterschiedlich und viele haben eine Reihe von Schwachstellen. Das macht es schwer, für die meisten der untersuchten Maßnahmen eindeutige Schlüsse zu ziehen“, sagt Stratil.
Eine regelmäßige Testung ist offenbar nützlich
Es fanden sich allerdings durchaus Hinweise, dass Schutzmaßnahmen dabei helfen können, SARS-CoV-2 Infektionen in den Einrichtungen zu verhindern und deren negative Konsequenzen zu verringern. Das gilt vor allem für die regelmäßige Testung von Bewohnern und Pflegepersonal mit dem Ziel, Ausbrüche möglichst früh zu erkennen.
Auch deutet die Evidenzlage darauf hin, dass die Kombination verschiedener Schutzmaßnahmen Infektionen und Todesfälle reduzieren könnte. „Für eine Reihe anderer Maßnahmen ist die Studienlage allerdings unklar“, sagt Stratils Kollege Renke Biallas, der zweite Hauptautor des Reviews. „Manche Studien lassen zwar einen Nutzen von Maßnahmen wie Besuchsbeschränkungen, der Bildung von abgeschlossenen Gruppen oder Quarantäne vermuten, aber die Ergebnisse sind nicht zuverlässig. Wir brauchen dringend mehr und bessere Forschung.“
Lücken in der Evidenz und wie man sie schließen könnte
Großer Forschungsbedarf besteht auch zu negativen gesundheitlichen oder sozialen Auswirkungen der Schutzmaßnahmen und zur Situation in Pflegeeinrichtungen mit hohen Impfquoten. „Auch in der vierten Welle werden wieder Schutzmaßnahmen notwendig sein, jedoch müssen wir darauf achten, dass Nutzen und Belastungen der Maßnahmen in einem positiven Verhältnis bleiben“, so Biallas.
Warum gibt es so wenig aussagekräftige Forschung?
„Wir müssen aber auch darüber nachdenken, warum trotz der hohen Anzahl von Todesfällen unter Bewohnern und Pflegepersonal dieser Einrichtungen so wenig aussagekräftige Forschung erfolgt ist“, ergänzt Jan Stratil. „Wenn wir die Gründe hierfür verstehen, kann uns das helfen, in dieser und in zukünftigen Pandemien unsere begrenzten Mittel gezielter und wirksamer einzusetzen, um Menschenleben zu retten.“
Stratil JM, Biallas RL, Burns J, Arnold L, Geffert K, Kunzler AM, Monsef I, Stadelmaier J, Wabnitz K, Litwin T, Kreutz C, Boger AH, Lindner S, Verboom B, Voss S, Movsisyan A. Non‐pharmacological measures implemented in the setting of long‐term care facilities to prevent SARS‐CoV‐2 infections and their consequences: a rapid review. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 9. Art. No.: CD015085. DOI:10.1002/14651858.CD015085.pub2.