Kassen fordern zeitgerechte Terminvergabe durch Arztpraxen
Dringenden Handlungsbedarf sehen die Ersatzkassen bei den Arztterminen für GKV-Versicherte: „Versicherte berichten immer wieder, dass sie keine zeitgerechten Termine erhalten. Mit mehr Geld können wir das Problem nicht lösen“, erklärte die Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner, gestern bei der Pressekonferenz zum Jahresauftakt in Berlin. Die Ersatzkassen hätten deshalb einen Maßnahmenkatalog entwickelt, um die Terminvergabe zu verbessern.
Laut Verband reichen die vorgeschlagenen Maßnahmen vom Ausbau der Sprechstundenzeiten über mehr Videosprechstunden und verpflichtende Servicestandards wie die Online-Terminvergabe bis hin zur besseren Erreichbarkeit und Terminvergabe durch die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) unter der Nummer 116 117.
vdek: „Komfort-Sprechstunden für Selbstzahler sind inakzeptabel“
Ein Mindestwert der derzeitigen Sprechstundenzeiten von 25 Stunden pro Woche reiche nicht aus, so Elsner. Und Komfortsprechstunden, bei denen GKV-Versicherte ihre Behandlung selbst bezahlen, um schnell einen Termin zu erhalten, seien inakzeptabel. Auch ein verlässliches Angebot an Videosprechstunden in jeder Praxis und die stärkere Nutzung von Telekonsilien zwischen Haus- und Fachärztinnen und -ärzten müssen selbstverständlich sein. Ferner sollte jede Praxis auf einer Internetseite über ihre Leistungen informieren und eine Online-Terminvergabe anbieten. Auch müsse es die Möglichkeit geben, Folgerezepte online zu bestellen, forderte Elsner.
Scharfe Kritik an den Forderungen kam von den Ärzteverbänden. So betonte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in einer Presseerklärung: „Es ist bezeichnend für die Realitätsferne und Kaltschnäuzigkeit sowohl ehrenamtlicher als auch hauptamtlicher Kassenfunktionäre, von den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten immer mehr Leistungen zu fordern, obwohl schon die bisher erbrachten nicht vollständig bezahlt werden."
KBV poltert, bei der vdek habe man „den Schuss nicht gehört“
Unverschämt sei es, "wenn dabei noch die Unterstellung mitschwingt, Ärztinnen und Ärzte würden zu wenig arbeiten. Fakt ist, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen zu viel Zeit für unsägliche Kassenbürokratie aufwenden müssen, die für die Versorgung der Patienten fehlt.“ In den „Glaspalästen des vdek“ habe man offensichtlich „den Schuss noch nicht gehört“, heißt es bei der KBV weiter. Die Praxen stünden vor dem Kollaps.
Als sowohl inhaltlich als auch von der Tonalität her untragbar bezeichnete der Hausärztinnen- und Hausärzteverband die Forderungen des vdek und sprach von „populistischen Tönen.“ Wörtlich formulierte der Verband: „Die Hausärztinnen und Hausärzte und ihre Praxisteams schieben seit Jahren Überstunde um Überstunde, um die Versorgung am Laufen zu halten. Jede Woche gehen unzählige Arbeitsstunden dafür drauf, unsinnige und inhaltlich nicht nachvollziehbare Nachfragen der Krankenkassen zu beantworten. Diese Zeit fehlt dann für die Patientenversorgung. Wer, statt sich selbst mal an die eigene Nase zu fassen, allen Ernstes als Lösung des Problems vorschlägt, die Mindestsprechstundenzeit zu erhöhen, der hat offensichtlich seit Jahrzehnten keine Praxis von innen gesehen.“
Virchowbund: „Das ist vorsätzliche und fortgesetzte Zechprellerei“
Aus Sicht des Virchowbunds mauern sich die Kassenfunktionäre in eine Parallelwelt ein. Die Sprechstundenzeiten für GKV-Versicherte seien bereits 2019 zwangsweise ausgeweitet worden, erklärte der Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. Als Ausgleich dafür seien Leistungen für Neupatienten erstmals voll bezahlt worden – ohne Abschläge durch Budgetdeckel. Diese sogenannte „Neupatientenregelung“ sei 2022 gekippt worden, jedoch sei die Sprechstundenzahl nicht wieder gesenkt worden, so Heinrich. „Wer jetzt noch mehr Sprechstunden bei einer Ausweitung der Budgetierung fordert, der kultiviert die eigene Gier nach unbezahlten Leistungen. Das ist vorsätzliche und fortgesetzte Zechprellerei“, sagte der Vorsitzende.
Auf der Jahrespressekonferenz brachte der vdek auch weitere Themen zu Sprache. So forderte er, die Krankenhausreform zum Abschluss zu bringen sowie die Reformen von Notfallversorgung und Rettungsdienst zügig anzugehen. Uwe Klemens, ehrenamtlicher Vorsitzender des Verbandes, sprach sich dafür aus, endlich für eine verlässliche und stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur sorgen. Die Beitragserhöhungen müssten ein Ende haben.
Laut Klemens gelte es auf der Einnahmeseite, den Steuerzuschuss für die GKV zu dynamisieren und den Bund verpflichten, in eine kostendeckende Finanzierung der Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger einzusteigen. Auf der Ausgabenseite sollte aus seiner Sicht wieder mehr Augenmerk auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Versorgung gelegt werden. Die Ausgaben in der GKV stiegen mit 5,8 Prozent deutlich stärker als die Einnahmen mit 2,1 Prozent. Damit erreichten sie eine Rekordhöhe von rund 314 Milliarden Euro, das entspricht einer Ausgabensteigerung von 17 Milliarden Euro von 2023 auf 2024.