Kontakt mit Erkältungsviren begünstigt milden COVID-19-Verlauf
Gleich zwei Studien der Arbeitsgruppe zeigen, dass vorausgegangene Infektionen mit den vier bereits vor der Pandemie global zirkulierenden humanen Coronaviren (HCoV-229E, HCoV-NL63, HCoV-HKU1 und HCoV-OC43), die meist nur saisonale, harmlose Infekte der oberen Atemwege auslösen, vor einem schweren Verlauf von COVID-19 schützen können.
Antikörpermessung als Teil der Risikobestimmung
„Unsere daraus abgeleitete Empfehlung ist, dass OC43-Antikörper bei stationär aufgenommenen COVID-19-Patienten gemessen und als Teil der Risikobewertung betrachtet werden“, sagt Prof. Hartmut Schmidt, Direktor der Medizinischen Klinik B (Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie, Klinische Infektiologie) am UKM.
Die Ergebnisse der COVID-19-Pilotstudie aus Münster mit 60 Patienten zur Bedeutung von früheren Infektionen mit saisonalen Coronaviren auf den Krankheitsverlauf konnten jetzt in einer Multicenter-Validierungsstudie mit knapp 300 Patienten aus Deutschland und Frankreich bestätigt werden.
"Patienten haben bereits ab 40 Jahren ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf, insbesondere Männer“, erklärt Prof. Martin Dugas, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik der WWU Münster. „Beide Studien belegen, dass im Vergleich zu anderen COVID-19-Patienten vor allem jene Patienten kritisch erkrankten, bei denen sich keine Antikörper gegen das sogenannte Nukleokapsid-Protein von HCoV OC43 nachweisen ließen."
20 Prozent der Patienten waren OC43-Antikörper negativ
Neben einer vorausgegangenen Infektion spielten zudem das Alter und das Geschlecht eine erhebliche Rolle. "Patienten in der zweiten Lebenshälfte, insbesondere Männer ohne OC43-Antikörper, hatten generell ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf“, so Dugas. Er fordert mit Blick auf die Daten, „die aktuelle Impfstrategie auf Personen ab 40 Jahren auszurichten“. Insgesamt waren etwa 20 Prozent der untersuchten Patienten OC43-Antikörper negativ.
Aufgrund der Erkenntnisse plädiert das Team außerdem dafür, sich bei COVID-19-Patienten bei der Risikobewertung nicht rein auf ein fortgeschrittenes Alter und Vorerkrankungen zu stützen. „Mit der zusätzlichen Bestimmung der Antikörper haben wir in der Pandemie einen weiteren Baustein, um diese sehr komplexe Erkrankung COVID-19 zu verstehen“, sagt Prof. Joachim Kühn, Ärztlicher Leiter der Klinischen Virologie am UKM.
Antikörper helfen bei der Krankheitsprognose
Das Universitätsklinikum Münster testet seit März alle COVID-19-Patienten auf OC43-Antikörper, um diese je nach Ergebnis sehr engmaschig zu überwachen. „Wir haben mit der Testung erstmalig eine Screeningmöglichkeit, aus der wir eine Prognose für den Krankheitsverlauf ableiten und neue Therapiemöglichkeiten bei COVID-19 für diejenigen Patienten nutzen können, die sie am meisten benötigen“, sagt Schmidt. „Diese Chance sollten wir nutzen.“
Martin Dugas , Tanja Grote-Westrick, Richard Vollenberg et al., Less severe course of COVID-19 is associated with elevated levels of antibodies against seasonal human coronaviruses OC43 and HKU1 (HCoV OC43, HCoV HKU1), in: International Journal of Infectious Diseases, Open Access, Published: February 22, 2021 DOI: doi.org/10.1016/j.ijid.2021.02.085
Martin Dugas, Tanja Grote-Westrick, Uta Merle et al., Lack of antibodies against seasonal coronavirus OC43 nucleocapsid protein identifies patients at risk of critical COVID-19, Journal of Clinical Virology, 2021, 104847, ISSN 1386-6532, doi.org/10.1016/j.jcv.2021.104847.
Erhöht soziale Distanzierung das Risiko für schwere Verläufe?
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Sigrid Gouma, Madison E. Weirick, Marcus J. Bolton et al., Sero-monitoring of health care workers reveals complex relationships between common coronavirus antibodies and SARS-CoV-2 severity, published April 19 2021, doi: doi.org/10.1101/2021.04.12.21255324