Krankenkassen verklagen Bund auf 10 Milliarden Euro
Klagegegenstand sind die seit Mitte November an die einzelnen Krankenkassen verschickten Bescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2026. Wie der GKV-Spitzenverband mitteilt, hat er beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die ersten Klagen eingereicht. Weitere sollen in den kommenden Tagen folgen.
Dabei gehe es nicht um Almosen oder Subventionen des Staates für die GKV, betont Dr. Susanne Wagenmann, Verwaltungsratsvorsitzende und Arbeitgebervertreterin beim GKV-Spitzenverband: „Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die gesetzlichen Krankenkassen subventionieren hier den Staat, der sich durch die nicht annähernd kostendeckenden Beiträge für Bürgergeldbeziehende um rund 10 Milliarden Euro selbst entlastet und die GKV jedes Jahr auf diesem Betrag sitzen lässt.“
Hintergrund der Klage
In Deutschland erhalten erwerbsfähige Personen vom Staat Bürgergeld nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende), wenn sie hilfebedürftig sind. Das Bürgergeld ist eine staatliche, steuerfinanzierte Fürsorgeleistung zur Sicherung des Existenzminimums, zu der auch die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung gehört. Mit dieser Aufgabe hat der Bund die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beauftragt. Den Krankenkassen zufolge erfüllt die GKV damit jedoch eine Aufgabe, die in die Verantwortung des Bundes fällt, bekommt über die staatlichen Beitragszahlungen die Kosten für den Versicherungsschutzes der Bürgergeldbeziehenden aber nur zu einem Drittel finanziert. Das stellt aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes einen „rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Sozialversicherungsträger zu organisatorischer und finanzieller Selbstständigkeit [...] dar“. Zugleich liege ein Verstoß gegen die strenge Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen vor, die laut Bundesverfassungsgericht nicht zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verwendet werden dürfen.
Klagegegenstand sind die seit Mitte November ergehenden Bescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) über die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für 2026. Aufgrund der zu niedrigen Zahlungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für die gesundheitliche Versorgung der Bürgergeldbeziehenden fallen diese Bescheide für alle gesetzlichen Krankenkassen zu niedrig aus. Deshalb haben die einzelnen Krankenkassen den GKV-Spitzenverband mit der Klageführung beauftragt, der in ihrem Auftrag in der Folge jeweils einzelne Klagen einreicht hat.
Verklagt wird die Bundesrepublik Deutschland, die durch das BAS vertreten wird. Erstinstanzlich zuständig für die Verfahren ist das Landessozialgericht NRW. Ziel ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit der systematischen Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung von gesetzlich versicherten Bürgergeldbeziehenden.
GKV-Spitzenverband
Das sei unfair den gesetzlich Versicherten und ihren Arbeitgebenden gegenüber und zudem wirtschaftspolitisch kontraproduktiv: „Durch diese Unterfinanzierung steigen die Krankenkassenbeiträge schneller, die Unternehmen haben immer höhere Arbeitskosten und Beschäftigten bleibt immer weniger Netto vom Brutto.“ Dieses staatliche Vorgehen schade dem Wirtschaftsstandort Deutschland, da dadurch Arbeit immer teurer werde. Wagenmann: "Deshalb brauchen wir neben notwendigen Strukturreformen endlich eine faire Finanzierung der medizinischen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden.“
„Ab jetzt rollt die Klagewelle und wir lassen nicht locker!“
„Im Interesse unserer 75 Millionen Versicherten haben wir am Freitag die ersten Klagen eingereicht“, berichtet Uwe Klemens, Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter beim GKV-Spitzenverband. „Ab jetzt rollt die Klagewelle und wir lassen nicht locker!“
Gestern wurde bekannt, dass sich auch die DAK-Gesundheit der Klagewelle angeschlossen hat.




