Lässt sich der Zahnarzt vom Äußeren des Patienten beeinflussen?
In ihrem Feldversuch schickten die Forscher eine Person innerhalb eines Jahres zu 180 zufällig ausgewählten Zahnärzten im Kanton Zürich. Bei der Hälfte seiner Besuche gab sich der Testpatient als Profi-Übersetzer im Dienste einer Bank aus, er trug dann einen Anzug und hatte ein teures Handy dabei. Bei den anderen Terminen erschien er stattdessen im Kapuzenpulli und in Turnschuhen - und stellte sich als Praktikant eines Übersetzungsdienstes vor.
Ihre Ergebnisse haben die Forscher nun als Diskussionspapier veröffentlicht: Demnach raten die Zahnärzte augenscheinlich ärmeren Personen öfter zu teuren Behandlungen als reicheren. So wurde dem Testpatienten mit vermeintlich höherem Einkommen in 21 von 90 Fällen eine Therapieempfehlung von mehreren Füllungen empfohlen - dem vermeintlich ärmeren Patienten dagegen in 29 von 90 Fällen.
Informiert und im Anzug ist am günstigsten
Das Verhalten der Zahnärzte scheint auch davon abhängig, wie sie ihren Wissensvorsprung einschätzen: Wies der Patient im Experiment darauf hin, dass er sich bereits im Internet über mögliche Therapieansätze informiert hatte, wurden ihm weniger teure Behandlungen nahegelegt. Am besten sei die Kombination "informierter Patient" und "Anzugträger": In diesem Fall wurden der Testperson weniger teure Behandlungen angeboten.
Insgesamt gehen die Forscher von einer "unnötigen Überbehandlung" durch die Zahnärzte aus: So legten 28 Prozent aller getesteten Zahnärzte dem Patienten - laut Studienautoren - eine unnötige Behandlung nahe. Im Diskussionspapier heißt es, vier Referenzzahnärzte hätten zu Beginn des Experiments den Testpatienten untersucht und lediglich eine oberflächliche Kariesläsion festgestellt, die nicht invasiv behandelt werden müsse. Die Empfehlung der getesteten Zahnärzte eine oder mehrere Füllungen zu legen, wurde von den Studienautoren als "unnötige Überbehandlung" gewertet.
Ein Sprecher der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO relativierte die Ergebnisse des Feldversuchs bereits. Ohne Sichtung der Röntgenbilder könne man die Studie nicht abschließend bewerten, wird er im Schweizer Tagesanzeiger zitiert. Der titelte: "Zahnärzte nehmen arme Kunden öfters aus".
Das Diskussionspapier"Health Services as Credence Goods: A Field Experiment"im Original finden Sie hier.