Studie zum Stimmungsbild der Deutschen

Leben wir in einer Übergangszeit?

pr/pm
Gesellschaft
Einer neuen Studie zufolge lassen Krisen wie Corona oder der Klimawandel die Deutschen eher ängstlich in die gesellschaftliche Zukunft blicken. Doch es wächst auch die Bereitschaft, selbst etwas zu bewegen.

Zwei Drittel der Deutschen blicken ängstlich auf die gesellschaftliche Zukunft und fast 90 Prozent befürchten drastische Veränderungen. Das zeigt eine breit angelegte repräsentative Untersuchung des Kölner Rheingold Instituts in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Stiftung für Philosophie Identity Foundation in Düsseldorf.

Mangelndes Vertrauen in Staat und Institutionen sowie die Angst vor gesellschaftlicher Spaltung forcieren der Untersuchung zufolge den Rückzug in private Nischen. Es wachse aber auch die Bereitschaft, allein oder mit Gleichgesinnten für eine lebenswerte Zukunft tätig zu werden.

Deutschland steht für 60 Prozent vor einem Niedergang

Laut Untersuchung zeigt sich die Mehrheit der Befragten resignativ und glaubt nicht daran, dass die großen Probleme unserer Zeit gelöst werden können. Das Vertrauen, dass Staat, Politik, Institutionen und Parteien die Krisen lösen können, sei erodiert: Nur 26 Prozent stimme das Wirken von Politik und Parteien optimistisch für die Zukunft. Die Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Mehrheit dazu: „Deutschland steht vor einem Niedergang“ (61 Prozent) und „durch Krisen wie Corona und den Klimawandel stehen uns drastische Veränderungen bevor“ (88 Prozent).

Die Studienautoren haben ausgemacht, dass Menschen die großen Zukunftsprobleme zwar erkennen, aber keine Idee haben, wie sich diese bewältigen lassen. Die Folge: Menschen ziehen sich in ihre persönlichen Nischen zurück, verschanzen sich in kleinen Wirkungskreisen mit Gleichgesinnten.

Das eigene Ich steht im Fokus

Die globale, europäische oder gesamtdeutsche Perspektive werde dabei ersetzt durch eine neue Selbstbezüglichkeit. Das eigene Ich, die Familie oder das unmittelbare soziale Umfeld stünden im Fokus. Optimismus für die Zukunft speise sich eher aus dem Glauben an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten (79 Prozent), der eigenen Familie (79 Prozent) und dem persönlichen Umfeld (81 Prozent).

Die größte Zukunftsangst betrifft der Studie zufolge den Wandel im sozialen Klima mit seiner fortschreitenden Polarisierung und dem Auseinanderdriften der Gesellschaft. Das während der Corona- und Klimakrise erlebte Regierungshandeln wurde als unzulänglich erlebt.

Zwar sehen viele Befragte gute Voraussetzungen für eine individuell erfolgreiche Gestaltung des Lebens in Deutschland (67 Prozent), aber das Vertrauen in den sozialen Zusammenhalt erodiert zunehmend: 83 Prozent haben Angst vor einer gesellschaftlichen Spaltung, 90 Prozent beobachten eine immer stärker werdende soziale Spreizung in Arm und Reich und 91 Prozent nehmen eine zunehmende Aggressivität in der Gesellschaft wahr.

im Kleinen gibt es eine Aufbruchsstimmung

Dennoch, so haben die Autoren der Untersuchung herausgefunden, gibt es im Kleinen eine Aufbruchsstimmung: Ein Drittel arbeitet auf eine bessere Zukunft hin. Sie packen ihre eigene Lebenswelt an und entwickeln das Gefühl, eine bessere Welt von unten fördern zu können. Dazu gehören etwa nachbarschaftliche Initiativen, veränderte Ernährungs- und Konsumgewohnheiten, soziale und ökologische Netzwerke oder postkapitalistische Geschäftsmodelle. Obwohl eine signifikante gesellschaftliche Gesamtströmung noch nicht zu erkennen sei, zeige sich Zukunftsoptimismus im partikularen Rahmen und mit nachhaltigen Perspektiven.

„Wir erleben eine Zeiten-Wende“, bilanziert Stephan Grünewald, Psychologe und Gründer des auf tiefenpsychologische Forschung spezialisierten Rheingold Instituts. „Diese Studie beschreibt den Geist, die Unsicherheiten, die Regressions- und Progressions-Kräfte einer Übergangszeit, in der sich unsere Gesellschaft massiv verändern wird.“ Dabei sei noch offen, ob die Tendenzen zu Rückzug und weiterer Parzellierung gestärkt werden oder die Kräfte des gesellschaftlichen Zusammen-Wachsens und der Überwindung von Trennlinien.

Zur qualitativen Zukunfts-Studie wurden jeweils 64 Wähler in zweistündigen psychologischen Tiefeninterviews befragt. Bei der Auswahl der Probanden wurde auf Repräsentativität geachtet. Die Tiefen-Explorationen wurden von einem fünfköpfigen Psychologen-Team durchgeführt und analysiert. Untermauert wurden die Erkenntnisse durch eine deutschlandweit repräsentative quantitative Befragung (n = 1.000).

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