Altersbilder in der Rockmusik

Lieber sterben als alt werden?

pr
Gesellschaft
Rockstars von damals galt die ältere Generation als Träger überholter Werte. Heute zählt das Alter aber auch als Chance. Welche Rolle spielen Altersbilder in der Rockmusik? Das untersucht eine neue Studie.

„Will you still need me, will you still feed me when I´m sixty-four?“ texteten und sangen die Beatles 1967 und brachten damit ihre Furcht vor dem „sich nutzlos fühlen“ im Alter zum Ausdruck. Die Band Alphaville wünschte sich 1984, für immer jung zu bleiben („Forever Young“) und formulierten das so: „It´s so hard to get old without a cause, I don´t want to perish like a fleeing horse […] Let us die young or let us live forever.“ In einer neuen Studie hat das Institut Arbeit und Technik jetzt Altersbilder in der Rockmusik aufgegriffen und gesellschaftliche und individuelle Vorstellungen vom Alter unter die Lupe genommen.

„Ausgehend vom Generationenkonflikt, der durch unterschiedliche Wert- und Moralvorstellungen der Generationen geprägt ist, sind Altersbilder in der Rockmusik bis heute weitgehend negativ“, bilanziert der IAT-Forscher und Studienautor Michael Cirkel. Vor allem der Aspekt, Alter als Spiegelbild von konservativen Wert- und Moralvorstellungen zu sehen, bilde das Motiv in den Anfangsjahren der Rockmusik. Musik wie Texte könnten als Sprachrohr der Rebellion gegen bestehende Wertesysteme angesehen werden, so Cirkel weiter. Dabei werde die ältere Generation zur Zielscheibe und zum natürlichen Feindbild. Hierbei sei anzumerken, dass die Musikerinnen und Musiker zu diesem Zeitpunkt selber in der Regel jung waren. Die Frage stelle sich, wie sie heutzutage über ihre Texte von damals denken.

Generationenkonflikte finden sich von Cat Stevens bis Ton Steine Scherben

Die Studienautoren haben drei Kategorien festgemacht, wie das Alter in der Rockmusik thematisch verarbeitet wird. Zum einen zeigt sich in den Werken das Alter als Spiegelbild von konservativen Wertvorstellungen: Aufbauend auf dem Generationenkonflikt der 1960er Jahre lässt sich das Leitmotiv identifizieren, dass alles „Alte“ als konservativ und festgefahren angesehen wird.

Ein Beispiel dazu bringt Cat Stevens mit seinem Lied „Father and Son“ (1970). Er zeigt einen Generationenkonflikt, getrieben durch unterschiedliche Wertvorstellungen. Im Lied erklärt der Vater: „It’s not time to make a change, just relax take it easy. You’re still young and that’s your fault, there’s so much you have to know”. Der Sohn hingegen sieht die Zeit gekommen, seinen Weg nun alleine zu gehen: „From the moment I could talk I was ordered to listen. Now there′s a way, and I know that I have to go away“.

Konfliktbeladene Generationenverhältnisse zeigen sich auch in dem Lied von Ton Steine Scherben „Ich will nicht werden, was mein Alter ist“ (1971). Der Texter will sich nicht mit den materiellen Werten der alten Generation identifizieren und möchte lieber das machen, was ihm wichtig erscheint: „Ich möchte aufhören und pfeifen auf das Scheißgeld. Ich weiß, wenn das so weiter geht bin ich fertig mit der Welt.“

Peter Fox' Titel „Haus am See“ ist die Ausnahme

Zum zweiten geht es laut Studienanalyse um die Außensicht auf das Alter(n): In diese Kategorie fallen Text-Beispiele, die ältere Menschen oder Verhaltensweisen beschreiben und meist durch die außenstehende Erzählperson bewertet werden. Ein Beispiel ist das Lied „Omaboy“ (1993) der Band Die Ärzte, das Bezug auf das Aussehen von älteren Frauen im Altenheim nimmt und mit negativen Stereotypen arbeitet. Es heißt dort: „Wenn ich ihre Krampfadern zähle an formlos geschwollenen Beinen. Oberweite am Bauch, das nenn ich gut gebaut. Stargetrübte Augen, schlechter Atem von den Gallensteinen. Starkes Make-Up über hängender Haut.“ Und ein weiteres Beispiel aus dem Lied „The End“ (1996) von The Bates, das Aussehen im Zusammenhang mit dem Altern negativ assoziiert: „You're looking awful, you're lookin' old. Once you were handsome, once you had friends.“

Zum dritten geht es um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Alter(n): Die Interpreten setzen sich in unterschiedlicher Art und Weise mit dem eigenen Alterungsprozess auseinander. So zieht Rick Springfield in seinem Lied „Celebrate Youth“ (1985) einen Vergleich zwischen Jung und Alt: „I can see the older man looking at the younger man. I can see the younger man looking at the boy.“ Weiter im Text heißt es: „'Cause every man sees in the younger man the hope. And every woman sees in the younger girl the dream.“

Ein weiteres Beispiel zeigt den positiven Ausblick aufs Alter, formuliert von Peter Fox in seinem Lied „Haus am See“ (2008): „Hier bin ich geboren, hier werd' ich begraben. Hab taube Ohren, 'n weißen Bart und sitz' im Garten. Meine 100 Enkel spielen Cricket auf'm Rasen. Wenn ich so daran denke, kann ich's eigentlich kaum erwarten.“

Und wie denken Springsteen und die Stones heute über das Altern?

Generell, so schlussfolgern die Studienautoren, gebe es in der Untersuchung deutliche Hinweise auf eine defizitäre Betrachtung des Alters in der Szene. Das entspreche aber nicht der heutzutage vorherrschenden Heterogenität der älteren Generation. Damit stehe die Haltung in der Rockmusik deutlich im Widerspruch zur aktuellen gesellschaftlichen Sichtweise, die vor allem die positiven Potenziale einer alternden Bevölkerung in den Vordergrund stellt. Doch: Was ist mit den Rock-Rebellen von damals, die heute immer noch aktiv sind – sehen die das Alter heute anders? Oder: Welchen Einfluss haben die Altersbilder auf die Zuhörerschaft – und wie gehen die Stars mit dem eigenen Alterungsprozess um? Hier sehen die Autoren noch Forschungsbedarf für weitere Studien.

Die Studie: Enste, P. & Cirkel, M. (2023). Altersbilder in der Rockmusik. Forschung aktuell, 07/2022. https://doi.org/10.53190/fa/202307

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