Lippen-Kiefer-Gaumenspalten: Genetische Ursachen spielen doch große Rolle
Humangenetiker der Universität Bonn haben entdeckt, dass bestimmte Genregionen auf den Chromosomen 1, 2, 3, 8, 13 und 15 mit der Ausbildung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten direkt zusammenhängen. Damit ist die Forschung einen großen Schritt vorangekommen, den Zusammenhang zwischen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Erbgut und Umwelt besser zu verstehen.
Verschiedene Abfolgen von Basenpaaren codieren auf dem Genom die Erbinformation, in der unter anderem auch die Ursachen angeborener Fehlbildungen festgeschrieben sind. Weltweit fahnden Wissenschaftler deshalb nach den molekularbiologischen Zusammenhängen zwischen Genen und Erkrankungen wie der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte.
Dabei handelt es sich um eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen, die entweder zu einer Spalte in der Lippe allein oder Lippe und Gaumen gleichzeitig führt. Etwa jedes 700. Neugeborene ist von einer solchen Spalte betroffen. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen ist es heute durch moderne Operationsmethoden möglich, dem kindlichen Oralen System die Funktion wieder herzustellen. Oft wird diese Operation bereits in den ersten Tagen nach der Geburt durchgeführt, damit der Säugevorgang und damit die normale Ernährung des Kindes möglich ist. Meistens sind in Abhängigkeit von den Wachstumsphasen anschließend weitere kosmetische Operationen sowie eine kieferorthopädische Therapie notwendig.
Die Kombination aus Umwelt- und genetischen Faktoren wird als Ursache vermutet
Unter Federführung von Dr. Elisabeth Mangold vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn, hat eine Arbeitsgruppe nun neue umfangreiche genetische Daten zur Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in einer Meta-Analyse ausgewertet. Hierfür kombinierten die Wissenschaftler Daten einer in Bonn an 399 Betroffenen und 1.318 Kontrollpersonen ohne diese Fehlbildung durchgeführten Studie mit Daten einer US-amerikanischen Studie, die mit 1.461 Patienten durchgeführt wurde.
"Die Zusammenführung der Daten erhöht deutlich die statistische Aussagekraft der Ergebnisse", sagt Mangold. Knapp 500.000 Erbgutabschnitte verglichen. "Abweichungen zwischen der Kontrollgruppe und den Patienten sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass die entsprechenden Abschnitte des Genoms etwas mit der Entstehung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zu tun haben", erklärt Mangold.
Die Forscher unterteilten die Betroffenen außerdem in zwei Gruppen: Patienten ausschließlich mit Lippenspalte und Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Eine Analyse dieser beiden Untergruppen wurde in der Bonner Metastudie erstmals in diesem Umfang durchgeführt, da genügend Patienten in jeder der beiden Gruppen zur Verfügung standen.
Neue ursächliche Regionen im Genom entdeckt
Ganze sechs neue Regionen im Erbgut, die zur Lippen-Kiefer-Gaumenspalte beitragen, identifizierten die Forscher auf diese Weise. Zuvor waren schon sechs bekannt gewesen, die sich allesamt in dieser nun größten Studie zu Lippen-Kiefer-Gaumenspalten bestätigten.
Professor Dr. Dr. Alexander Hemprich, Chef der Mund-, Kiefer-Gesichtschirurgie der Universität Leipzig begrüßt die neuen Erkenntnisse. Für den Leipziger Experten ist es wichtig, dass weiter an der Identifizierung von äußeren Einflüssen und genetischen Faktoren geforscht wird.
Die Erkenntnisse aus diesen Studien können seiner Meinung nach langfristig dazu beitragen, die Wirkung von Vitamin-B-Komplexen bezüglich der Prävention bei der Spaltbildung zu manifestieren. „Wir wissen, dass Vitamin B, hochdosiert vom Beginn des Kinderwunsches bis hin zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats verabreicht, die Wahrscheinlichkeit einer Spaltbildung deutlich absenken lässt“.
Die Ergebnisse der Metastudie sind nun in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift"Nature Genetics"erschienen. Hier derDirektlinkzum Artikel "Genome-wide meta-analyses of nonsyndromic cleft lip with or without cleft palate identify six new risk loci, Nature Genetics, 2012 Aug 5;44(9):968-71."