Masken-Abfall könnte Beton stabiler machen
Die Spaltzugfestigkeit einer Betonmischung mit Maskenmaterialien war nach einem Monat der Aushärtung 47 Prozent stärker als üblicherweise verwendeter Zement. Die Druckfestigkeit nahm im Gegenzug geringfügig ab (minus drei Prozent). Das zeigt eine Studie der Washington State University (WSU), die in der Zeitschrift
Materials Letters
veröffentlicht wurde.
„Diese Abfallmasken könnten tatsächlich ein wertvolles Gut sein, wenn man sie richtig verarbeitet”, sagte Co-Autor Prof. Xianming Shi. Er sei immer auf der Suche nach verwertbaren Abfallströmen und seine erste Frage daher gewesen: „Wie mache ich daraus etwas, das in Beton oder Asphalt verwendbar ist?”
0,1 Volumenprozent Maskenfasern stecken im Testbeton
Die Herstellung von Zement ist CO2-intensiv, weltweit ist sie für bis zu acht Prozent der Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Die Idee: Mikrofaserverstärkter Beton kann möglicherweise die Menge an Zement reduzieren, die für ein Projekt benötigt wird. Das würde dann auch Kohlenstoffemissionen einsparen. Beton Mikrofasern hinzuzufügen, um die Stabilität zu erhöhen, ist bereits gängige Praxis. Diese Fasern sind in der Regel aber teuer, schreiben die Forschenden.
OP-Masken bestehen aus einem Polypropylen- oder Polyestergewebe, dort, wo es die Haut berührt; und aus einer ultrafeinen Polypropylenfaser für die Filterschichten. Sie haben damit Fasern, die für die Betonindustrie nützlich sein können, sind die US-WissenschaftlerInnen überzeugt. In ihrer Arbeit entwickelten sie darum ein Verfahren zur Zerkleinerung der Maskenfasern auf eine Länge von fünf bis 30 Millimetern und fügten sie dann Beton hinzu. Für ihre Tests entfernten sie Metallbügel und Baumwollschlaufen von den Masken, zerschnitten sie und reicherten gewöhnlichen Portlandzement – das ist die weltweit am häufigsten verwendete Zementart und die Grundzutat für Beton, Mörtel und Fugenmörtel – mit 0,1 Volumenprozent dieser Fasern an.
auch Kleidungsabfälle sollen verarbeitet werden
Die Maskenmikrofasern wurden vor der Beimischung in Graphenoxid getaucht. Das Graphenoxid liefert ultradünne Schichten, die stark an den Faseroberflächen haften. Solche Maskenmikrofasern absorbieren oder zerstreuen die Bruchenergie im Beton. Ohne die Fasern könnten bei der Belastung mikroskopisch kleine Risse entstehen, die schließlich zu breiteren Rissen und dem Versagen des Materials führen.
Nach Ansicht der Forschenden demonstriert die Studie eine sinnvolle Upcycling-Möglichkeit für Abfallmasken in der Betonindustrie und könnte so Grundlage einer neuen Entsorgungsstrategie werden. Sie stellen sich auch vor, diese Technologie auf das Recycling anderer Polymermaterialien wie Kleidungsabfälle anzuwenden.
Aber sind Gesichtsmasken wirklich geeignet?
Steffen Müller, Wissenschaftler am Institut für Baustoffe der Technischen Universität (TU) Dresden, hält den Ansatz zwar grundsätzlich für möglich, eine Erhöhung der mechanischen Festigkeit des Betons mit derart „dehnwilligen Fasern” aber für unwahrscheinlich, sagte er MDR WISSEN. Zwar würden Materialien aus Polypropylen oder Polyester bereits im Baugewerbe eingesetzt, dabei handle es sich jedoch um Hochleistungsmaterialien und keine „niedermoduligen Varianten”, wie man sie bei Gesichtsmasken verwendet.
Obendrein vermutet er, dass die Zerlegung der Maskengewebe in einzelne Mikrofasern im großen Stil nicht ganz einfach sein dürfte: „Wenn es solide sein soll, muss man die Fasern voneinander trennen, was energetisch aufwändig und maschinentechnisch anspruchsvoll ist”, sagte er dem Wissensmagazin.
Auch die Hoffnung auf eine Materialersparnis zieht der Diplomingenieur in Zweifel: Mikrofasern im Beton würden die benötigte Zementmenge nicht reduzieren, sondern eher erhöhen, da die zusätzlichen Faseroberflächen ebenfalls mit Zementleim benetzt werden müssten. Zementeinsparungen durch Mikrofasern würden sich nur ergeben, wenn man aufgrund der mechanischen Aufwertung des Materials dünner bauen könnte.
Maskenabfall könnte auch im Straßenbau verwendet werden
Optimistischer sind australisische Forschende, die bereits 2021 in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment
eine Studie veröffentlichten, die zeigt, wie OP-Masken-Abfall im Straßenbau weiterverwendet werden könnte. Darin rechnen sie vor, dass beim Neubau einer zweispurigen Straße etwa drei Millionen Masken pro Straßenkilometer verbaut und 93 Tonnen Deponieabfall vermieden werden könnten. Und nicht nur das: Das in der Studie vorgestellte Straßenbaumaterial ist eine Mischung aus zerkleinerten Einwegmasken und verarbeitetem Bauschutt und erfüllt nach Aussage der Forschenden alle Sicherheitsstandards des Bauingenieurwesens.
Zhipeng Li, Zhigang Zhang, Ming-en Fei et al., Upcycling waste mask PP microfibers in portland cement paste: Surface treatment by graphene oxide, Materials Letters, Volume 318, 2022, 132238,https://doi.org/10.1016/j.matlet.2022.132238.
Mohammad Saberian, Jie Li, Shannon Kilmartin-Lynch et al., Repurposing of COVID-19 single-use face masks for pavements base/subbase, Science of The Total Environment, Volume 769, 2021, 145527, ISSN 0048-9697,https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.145527.