Bessere Prävention gefordert

Mehr Herzinfarkte auf dem Land als in der Stadt

pr
Politik
Auf dem Land sterben mehr Menschen ab 65 an einem Herzinfarkt als in der Stadt. Das liegt wohl nicht an einer schlechteren Notfallversorgung, sondern an mehr Neuerkrankungen, so eine neue Studie aus Rostock.

In ländlichen Regionen sterben in Deutschland mehr Menschen ab 65 an einem Herzinfarkt als in der Stadt. Das ergab eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) hervor, die jetzt veröffentlicht wurde. Dies lässt sich jedoch nicht mit der so genannten Fallsterblichkeit erklären, also dem Anteil der Menschen, die in der Folge eines Herzinfarktes sterben. Vielmehr ist demnach die Übersterblichkeit auf dem Land das Resultat einer höheren Herzinfarktinzidenz, also dass mehr Menschen einen Herzinfarkt erleiden.

Wie das Institut dazu meldet, haben die Forschenden für die Studie Daten auf Kreisebene ausgewertet, die alle Krankenhauseinweisungen, ursachenspezifischen Todesfälle und Bevölkerungszahlen für die deutsche Gesamtbevölkerung der Jahre 2012 bis 2018 und die Altersgruppe 65+ enthalten.

Stadt und Land wurden verglichen

In ihrer bevölkerungsweiten Analyse verglich das Forscherteam die Herzinfarkt-bedingte Sterblichkeit, die Herzinfarktinzidenz und die Fallsterblichkeit zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Dazu wurden Daten aus der deutschen Diagnosis-Related-Groups-Statistik (DRG), der deutschen Todesursachenstatistik und regionalen Datenbanken verwendet. Um die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten so umfassend wie möglich zu analysieren, wurden 101 sehr ländliche und 67 sehr städtische Gebiete miteinander verglichen.

„Wir haben untersucht, wie sich die Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt zwischen ländlichen und städtischen Gebieten in Deutschland unterscheidet, und was die Treiber dieser Unterschiede sind“, erläutert Mitautor Dr. Marcus Ebeling vom MPIDR. Motiviert habe das Wissenschaftlerteam vor allem, welche Rolle Stadt-Land-Unterschiede in der Gesundheitsversorgung von akuten Erkrankungen spielen. Vorangegangene Untersuchungen hätten gezeigt, dass Rettungswagen gerade auf dem Land zunehmend später kämen, aber gleichzeitig immer häufiger gerufen würden. Beim Herzinfarkt sei die Überlebenswahrscheinlichkeit eng mit sofortiger medizinischer Behandlung verknüpft. Mögliche Stadt-Land-Unterschiede können so sichtbar werden, so Ebeling.

Unterschiede in Versorgung und Risikofaktoren

Wie aus der Studie hervorgeht, erklärt sich die höhere Sterblichkeit vor allem aus der höheren Zahl von Herzinfarkt-Patientinnen und –patienten. Die Forschenden sehen in den Ergebnissen Hinweise, dass die Ungleichheiten zwischen Stadt und Land zum Teil auf Unterschiede in der medizinischen Versorgung von Risikofaktoren des Herzinfarkts zurückzuführen sind. „Bezogen auf den Herzinfarkt können wir sagen, dass das Kernproblem des Stadt-Land-Gefälles nicht darin liegt, dass der Rettungswagen zu lange braucht, um ins Krankenhaus zu kommen, sondern dass die Krankheitsprävention auf dem Land verbessert werden muss“, erklärt Ebeling.

Weitere Forschung notwendig

Die Ergebnisse lägen nahe, dass auch strukturelle Faktoren wie die Zugänglichkeit der spezialisierten Versorgung, die unterschiedliche Gesundheitsversorgung oder andere Praktiken beim Management von Risikofaktoren zu den Ursachen gehören könnten, heißt es in der Studie. Bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren seien zum Beispiel arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie, aber auch veränderbare Risikofaktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit, Ernährungsaufnahme oder psychosozialer Stress Inwieweit diese Faktoren in den städtischen und ländlichen Regionen Deutschlands unterschiedlich sind, bleibe jedoch ein Thema für die weitere Forschung.

Auch wenn die ländliche Bevölkerung bis zu einem gewissen Grad an einer höheren Belastung durch Herz-Kreislauf-Risikofaktoren leide, ließen die Studienergebnisse zumindest die Hypothese zu, dass der schwierigere Zugang zu grundlegender und spezialisierter Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen zu einer möglichen Unterbehandlung von Risikofaktoren für einige Personen führen könne, die wahrscheinlich schädliche Auswirkungen hätten.

Einfacherer Zugang zur Grundversorgung würde Abhilfe schaffen

„Wenn das stimmt, wird eine teilweise Lösung zur Verringerung der Sterblichkeitsdifferenz auf dem Stadt-Ländlichen höchstwahrscheinlich nicht durch den Bau zusätzlicher Katheterlabore gefunden, sondern einen einfacheren Zugang zu einer grundlegenden und spezialisierten Gesundheitsversorgung mit einem Schwerpunkt auf primärer und sekundärer Prävention“, so das Fazit in der Studie.

Die Studie stoße an einigen Stellen vor allem aufgrund der Datenlage an ihre Grenzen, wie die Forschenden weiter erklären. Da es keine vergleichbaren Studien für Deutschland gebe, seien die Ergebnisse mit Daten aus Skandinavien verglichen worden. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern gebe es zwar auch für Deutschland die Daten, um konkrete Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Leider seien diese aber nur sehr schwer zugänglich oder die Analysen würden dadurch unnötig erschwert.

Marcus Ebeling, Michael Mühlichen, Mats Talbäck, Roland Rau, Alexander Goedel, Sebastian Klüsener: Disease incidence and not case fatality drives the rural disadvantage in myocardial-infarction-related mortality in Germany, Preventive Medicine (2024): DOI: 10.1016/j.ypmed.2023.107833

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