Bundeskabinett beschließt Krankenhausreform

Mit den Fallpauschalen ist Schluss

pr
Politik
Die umstrittene Klinikreform wurde vom Kabinett gebilligt. Damit soll eine Abkehr von Fallpauschalen, eine Vorhaltefinanzierung und eine Spezialisierung der Versorgung greifen. Die Kritik daran geht weiter.

Gestern hat das Bundeskabinett den Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) gebilligt. Bei der Vorstellung vor der Presse sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), es handele sich bei der Reform um die größte seit 20 Jahren und bezeichnete sie als eine „Revolution im Krankenhausbereich“ ab 2025. Der Umbauprozess werde mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen. Die Kritik daran seitens der Bundesländer, Verbände, Kassen und der Krankenhauslandschaft geht indes unvermindert weiter.

„Revolution im Krankenhausbereich“

Mit der Reform werde die Finanzierungssystematik der stationären Versorgung grundlegend verändert, meldete das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Statt wie bisher jede einzelne Krankenhausbehandlung über Fallpauschalen abzurechnen, soll ein Großteil der stationären Versorgung unabhängig von der tatsächlichen Leistungserbringung vergütet werden. Dazu sollen die zuständigen Landesbehörden den Krankenhäusern Leistungsgruppen zuweisen, für die dann bundesweit gültige Qualitätsanforderungen gelten.

Zentrale Ziele der Reform sind demnach: erstens die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, zweitens die Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung für Patienten und drittens eine Entbürokratisierung.

Unter anderem sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Durch eine Vorhaltevergütung sollen bedarfsnotwendige Krankenhäuser künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden.

  • Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken, Notfallversorgung werden zusätzliche Mittel gewährt.

  • Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, sollen Kriterien für 65 Leistungsgruppen (LG) definiert und sämtliche Leistungen der Krankenhäuser eindeutig einer der Leistungsgruppen zugewiesen werden.

  • Die Verantwortung der Länder für die Krankenhausplanung soll unberührt bleiben. Sie entscheiden, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen anbieten soll.

  • Für eine Zuweisung von Leistungsgruppen müssen Qualitätsstandards eingehalten werden. Voraussetzung für die Zuweisung von Leistungsgruppen ist die Erfüllung von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien.

  • Zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgungsind Ausnahmeregelungen vorgesehen, die für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in ländlichen Räumenunbefristet gelten.

  • Die schnelle Erreichbarkeit von Kliniken soll gesichert bleiben. Befristete Ausnahmen von bis zu drei Jahren können Krankenhäusern gewährt werden, wenn ein Krankenhaus nicht innerhalb einer gesetzlich festgelegten Entfernung zu erreichen ist (30 PKW-Minuten für die LG allgemeine Chirurgie und allgemeine Innere Medizin; 40 PKW-Minuten für alle anderen LG)

  • Die wohnortnahe Grundversorgung soll gesichert bleiben. Durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i) werden zusätzlich zu den bedarfsnotwendigen Krankenhäusern im ländlichen Raum, die einen Zuschlag erhalten, wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbunden. Diese Einrichtungen sichern eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung durch eine Bündelung interdisziplinärer und interprofessioneller Leistungen.

  • Ein Transformationsfonds soll die notwendigen finanziellen Ressourcen bereitstellen, um die strukturellen Veränderungen zu fördern. Über zehn Jahre werden dafür insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro bereitgestellt.

  • Die Dokumentation soll verschlankt und das System entbürokratisiert werden.

Harsche Kritik kommt von der Gesundheitsministerkonferenz (GMK). „Die Länder wollen eine Krankenhausreform – aber eine inhaltlich gute, eine realitätsbezogene und eine verfassungskonforme“, erklärte die GMK-Vorsitzende Kerstin von der Decken. Eine solche Reform werde nur in einem Miteinander von Bund und Ländern gelingen. Denn der Bund sei für die Betriebskostenfinanzierung, die Länder seien für die Krankenhausplanung zuständig. Fristgerecht hätten die Länder eine umfangreiche und geeinte fachliche Stellungnahme zum Referentenentwurf abgegeben. Von der Decken: „Dass keine der Forderungen der Länder vom Bundesgesundheitsministerium in den Regierungsentwurf des KHVVG aufgenommen worden ist, stellt nicht nur ein in jeder Hinsicht ungewöhnlicher Vorgang im Rahmen einer Anhörung dar. Er lässt die Expertise der Länder außen vor und bedeutet erneut eine einseitige Abkehr von der so wichtigen Zusammenarbeit in der Sache.“

Die konkreten Reformbestandteile würden die gesetzten Ziele nicht erreichen, heißt es bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß erklärte: „Die von Karl Lauterbach immer wieder als Entökonomisierung angepriesene Vorhaltefinanzierung, hält nicht ansatzweise das, was der Gesundheitsminister versprochen hat. Vor allem kleineren Kliniken in der Fläche droht das Aus, weil sich deren Finanzierungsgrundlage nicht verbessert. Aber auch für Krankenhäuser mit Spezialaufgaben droht die Vorhaltefinanzierung zum Fiasko zu werden, weil zusätzliche Patientenbehandlungen, die sie aus kleineren Standorten übernehmen sollen deutlich schlechter vergütet werden als im heutigen Finanzierungssystem.“ Die Reform müsse zu den Kompromissen zwischen Bund und Ländern zurückkehren, das Leistungsgruppenmodell nach NRW-Vorbild einführen und eine tatsächlich fallzahlunabhängige Strukturkostenfinanzierung einführen, forderte Gaß.

Beihilfeverletzung? KBV will sich an die Europäische Kommission wenden

Kritik kommt auch vom GKV-Spitzenverband. Die teils groben Leistungsgruppen bildeten die dahinterliegenden komplexen Versorgungen der Patienten nicht ab, erklärte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des Verbandes. Die notwendige Ausdifferenzierung werde in die Zukunft verlagert. Dadurch blieben die notwendige Verbesserung der Versorgungsstrukturen vage und deren bedarfsgerechte Ausgestaltung ungeregelt. Für die Versicherten und deren Arbeitgeber seien durch die geplante Fehlfinanzierung des Transformationsfonds hohe Zusatzkosten vorprogrammiert und würden zu steigenden Zusatzbeiträgen führen. Darüber hinaus seien die im Gesetzentwurf skizzierten kurzfristigen Einsparungen unrealistisch, so Stoff-Ahnis.

„Es ist höchst bedauerlich und auch nicht hinnehmbar, dass die ohnehin bestehenden Wettbewerbsnachteile des ambulanten Bereichs gegenüber den Krankenhäusern noch einmal verschärft werden sollen,“ erklärte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Der Entwurf verstoße aus seiner Sicht gegen Regelungen zum EU-Beihilferecht, weil er erneut eine finanzielle Förderung ausschließlich der Krankenhäuser vorsehe. Dadurch verschärften sich noch einmal die ungleichen Wettbewerbsbedingungen und benachteiligten die Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. „Wir werden uns deshalb nun an die Europäische Kommission wenden mit der Bitte zu prüfen, ob eine mutmaßliche Beihilfeverletzung vorliegt,“ kündigte der Vorstand an.

Die erste Lesung im Bundestag soll noch vor der Sommerpause stattfinden, die Verabschiedung könnte dann im Herbst folgen.

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