Mobbing ist systemische Schikane
Ein Beamter kann Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Dienstherrn haben, wenn dieser seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren – insbesondere durch Vorgesetzte – zulässt. Entscheidend ist laut Bundesverwaltungsgericht dabei aber immer die Gesamtbewertung aller Geschehnisse.
Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin im Dienst der beklagten Gemeinde. Nach der Wiederwahl des Oberbürgermeisters der Beklagten führte eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus zu einer Umsetzung der Klägerin auf eine Stelle mit einer – wie vom Verwaltungsgericht bestätigt – nicht amtsangemessenen Beschäftigung. Im Rahmen der Umsetzung wurde ihr ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen, dass nur über eine steile Treppe zu erreichen war. Später stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin unter anderem vorgeworfen wurde, sie habe sich „über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in Krankheit“ geflüchtet.
Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben. Ihre auf Schadensersatz gerichtete Klage war vor dem Verwaltungsgericht Halle erfolgreich, wurde in der Berufungsinstanz aber abgewiesen. Die Revision der Klägerin vor dem Bundesverwaltungsgericht war wiederum erfolgreich.
Begründung des Gerichts: Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgeht. Die Besonderheit der als „Mobbing“ bezeichneten Rechtsverletzung liege gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab hatte das Oberverwaltungsgericht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen.
So sorgen Sie vor
Damit es nicht soweit kommt, gibt es eine Vielzahl von offizielle Empfehlungen, wie Arbeitgeber gegen Mobbing in ihrem Team vorgehen sollten. Hier sind einige davon:
Unternehmenspolitik überarbeiten: Arbeitgeber sollten Maßnahmen ergreifen, um Mobbing zu verhindern. Dazu gehört eine klare Unternehmenspolitik, die Mobbing als unakzeptables Verhalten definiert und Mitarbeiter regelmäßig über die Folgen von Mobbing informiert. Eine offene Kommunikation und konstruktive Feedbackkultur kann auch dazu beitragen, dass Konflikte frühzeitig erkannt und gelöst werden.
Sofortige Reaktion: Arbeitgeber sollten sofort auf Beschwerden über Mobbing reagieren und die Situation ernst nehmen. Das bedeutet, dass sie eine umgehende Untersuchung des Vorfalls einleiten und den betroffenen Mitarbeiter unterstützen sollten.
Klare Verfahren: Es ist wichtig, dass Arbeitgeber klare Verfahren und Richtlinien für den Umgang mit Mobbing haben. Dazu gehört ein Beschwerdeverfahren, das Mitarbeiter nutzen können, um Mobbing-Vorfälle zu melden. Arbeitgeber sollten auch sicherstellen, dass Beschwerden vertraulich behandelt werden und dass es keine negativen Konsequenzen für den Beschwerdeführer gibt.
Schulung von Führungskräften: Führungskräfte sollten auf den Umgang mit Mobbing vorbereitet sein und über die Auswirkungen von Mobbing auf Mitarbeiter und Unternehmen informiert sein. Arbeitgeber sollten ihre Führungskräfte deshalb regelmäßig schulen und ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, um Mobbing zu erkennen und zu verhindern. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege bietet hierzu eine Broschüre für Führungskräfte an.
Unterstützung für betroffene Mitarbeiter: Arbeitgeber sollten betroffene Mitarbeiter unterstützen, indem sie ihnen Zugang zu Beratung und psychologischer Unterstützung anbieten. Darüber hinaus sollten sie sicherstellen, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht benachteiligt werden: Website der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) sowie der BZgA.
Weitere Informationen und Empfehlungen zur Verhinderung von Mobbing liefert ein Leitfaden der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), der auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zu finden ist.
Bundesverwaltungsgericht
Az.: 2 C 6.21
Urteil vom 28. März 2023
Vorinstanzen:
Oberverwaltungsgericht Magdeburg
Az.: 1 L 72/19
Urteil vom 08. Oktober 2020
Verwaltungsgericht Halle
Az.: 5 A 519/16
Urteil vom 27. März 2019