Bundesregierung beschließt Eckpunkte

Nationale Ernährungsstrategie geht vielen nicht weit genug

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Gesellschaft
Weniger Fett, Zucker und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln und gesundes Essen in Kantinen und Mensen: Ernährungsminister Cem Özdemir hat die Eckpunkte der bundesweiten Ernährungsstrategie vorgestellt.

Die Bundesregierung hat gestern die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegten Eckpunkte für eine Ernährungsstrategie beschlossen. Mit dem Eckpunktepapier werden die Leitlinien für die künftige Ernährungsstrategie der Bundesregierung bestimmt. Ziel der Ernährungsstrategie ist es, einen Beitrag zur Transformation des Ernährungssystems zu leisten und die Rahmenbedingungen und Strukturen zu schaffen, dass alle Menschen in Deutschland sich gesund und nachhaltig ernähren können.

„Ich möchte den Leuten nicht vorschreiben, was sie essen sollen”, sagte Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) nach dem Kabinettsbeschluss. „Ich möchte dafür sorgen, dass es für alle Menschen in Deutschland möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft.”

Zentrale Ziele der Nationalen Ernährungsstrategie sind:

  • Eine stärker pflanzenbetonte Ernährung,

  • Weitere Reduzierung von Zucker, Fetten und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln,

  • Effektive Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, indem über die gesamte Kette Lebensmittelabfälle halbiert werden,

  • Mahlzeiten in der Gemeinschaftsverpflegung sollen gesünder und nachhaltiger werden und die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung einhalten und

  • ein erhöhter Anteil an saisonal-regional und ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung.

Kernpunkte der Strategie sind unter anderem eine stärker pflanzenbetonte Ernährung, die weitere Reduzierung von Zucker, Fett und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln und eine Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Ziel ist es die Gemeinschaftsverpflegung „als Hebel zu nutzen, um allen Bürgerinnen und Bürgern die Erfahrung mit guten, leckeren und gesunden Mahlzeiten zu ermöglichen”, so Özdemir.

Es habe auch etwas mit Wertschätzung zu tun, wenn ArbeitnehmerInnen sich darauf verlassen können, in der Kantine gutes Essen zu bekommen, erläutert der Minister weiter. Zudem sollte es selbstverständlich sein, dass Patienten in Krankenhäusern das für ihre Genesung bestmögliche Essen bekommen. Und: „Wir tun uns als Gesellschaft einen großen Gefallen, wenn wir unseren Kindern, dem Wertvollsten, was wir haben, in Kita und Schule ein gesundheitsförderndes und abwechslungsreiches Essensangebot machen”, sagte Özdemir.

„Das Eckpunktepapier nennt richtige und wichtige Ziele”, erklärt Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). Eine Zuckersteuer für Erfrischungsgetränke suche man im Eckpunktepapier jedoch vergebens. „Das ist ein großer Fehler und darf so nicht bleiben!”, kritisiert Bitzer.

Verband bezeichnet Eine Strategie ohne Zuckersteuer als „mutlos”

Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes. Deutschland ist weltweit eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an zuckergesüßten Getränken. „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Verbraucherschützer, medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften und auch der Wissenschaftliche Beirat des BMEL empfehlen einhellig eine Herstellerabgabe oder Zuckersteuer für Erfrischungsgetränke zur Förderung einer gesunden Ernährungsweise”, erinnert DANK – dennoch sei diese Maßnahme im Eckpunktepapier der Bundesregierung bisher nicht vorgesehen.

Dabei seien fiskalische Instrumente zur Verbesserung des Ernährungsverhaltens – insbesondere Steuern auf Zuckergetränke und Subventionen für Gemüse und Obst – zentrale Maßnahmen, um den Verzehr kalorienreicher Nahrungsmittel zu reduzieren und Adipositas sowie Diabetes zu bekämpfen.

Wie Richtlinien die Gesundheit und das Leben von Millionen schützen können

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European Journal of Public Health, Volume 32, Issue Supplement_4, December 2022,https://academic.oup.com/eurpub/issue/32/Supplement_4 _blank external-link-new-window

Auch die Verbraucherorganisation foodwatch spricht sich für eine Zuckersteuer aus: „Die Ernährungsstrategie von Cem Özdemir greift viel zu kurz. Statt mit wirksamen Maßnahmen Fehlernährung insbesondere bei Kindern entgegenzuwirken, enthält seine Strategie viele leere Worte und wenig Neues”, kritisiert Chris Methmann von foodwatch. „Zum Beispiel muss die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse gestrichen werden, damit sich gesunde Ernährung alle leisten können. Im Gegenzug sollten Hersteller von überzuckerten Getränken eine Abgabe zahlen. Eine solche Limo-Steuer hat in Großbritannien dazu geführt, dass Produzenten den Zuckergehalt in ihren Getränken deutlich heruntergeschraubt haben – zwischen 2015 und 2019 um mehr als 35 Prozent.”

foodwatch: „Strategie enthält viel leere Worte und wenig Neues”

„Dass Cem Özdemir für die Gemeinschaftsverpflegung die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung verpflichtend machen will, ist ein PR-Gag”, kritisiert Methmann weiter. Für die Abstimmung mit den Bundesländern wolle er sich bis 2030 Zeit lassen. „Bis dahin stirbt dieser Plan im deutschen Föderalismus einen langsamen Tod”, so Methmann.

Immerhin, einen Fortschritt enthält die Strategie laut foodwatch: Es sei gut, dass der Minister Werbung für Ungesundes an Kinder beschränken will. „In Radio, TV und Streamingdiensten sollten zwischen 6 und 23 Uhr grundsätzlich nur noch gesunde Lebensmittel beworben werden”, mahnt jedoch Methmann, „daran wird sich messen lassen, ob der einzig konkrete Baustein in Özdemirs Ernährungsstrategie trägt.” Die Nationale Ernährungsstrategie soll bis Ende 2023 finalisiert und von der Bundesregierung beschlossen werden.

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