Clovibactin attackiert auch “Krankenhauskeime”

Neues Antibiotikum macht Hoffnung gegen resistente Keime

LL
Allgemeinmedizin
Immer mehr bakterielle Krankheitserreger entwickeln Resistenzen. Damit steigt die Gefahr, dass gängige Antibiotikapräparte nicht mehr gegen Infektionskrankheiten wirken. Eine neue Entdeckung macht nun Hoffnung.

Internationale Wissenschaftler haben in gemeinsamer Forschungsarbeit ein neues Antibiotikum entdeckt und dessen Wirkweise entschlüsselt: Clovibactin stammt von einem Bodenbakterium und attackiert hochwirksam die Zellwand von Bakterien, auch die zahlreicher multiresistenten Krankenhauskeime, wie MRSA, sowie auch die Erreger der weit verbreiteten Tuberkulose, an der weltweit viele Millionen Menschen erkranken. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Cell veröffentlicht.

An der Entdeckung beteiligt waren Forschende der Universität Bonn, des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), der Universität Utrecht, der Northeastern University in Boston und der Firma NovoBiotic Pharmaceuticals in Cambridge (USA).

„Wir brauchen dringend neue Antibiotika, um im Wettlauf gegen resistent gewordene Bakterien zu bestehen“, sagt Prof. Dr. Tanja Schneider vom Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie in Bonn. Das Institut ist darauf spezialisiert, die Wirkweise von Antibiotika-Kandidaten zu entschlüsseln. „Das neue Antibiotikum attackiert gleichzeitig an mehreren Stellen den Aufbau der bakteriellen Zellwand in dem es essentielle Bausteine blockiert”, erklärt Schneider. Mit ungewöhnlicher Intensität heftet es sich gezielt an diese Bausteine und tötet die Bakterien, indem es ihre Zellhülle zerstört.

Clovibaction umschließt die Zielstruktur wie ein Käfig

Wie das genau funktioniert, haben die Forschungsgruppen nun entschlüsselt. Das Team um Prof. Kim Lewis vom Antimicrobial Discovery Center der Northeastern University in Boston und NovoBiotic Pharmaceuticals haben Clovibactin mit der iCHip-Apparatur entdeckt. Damit lassen sich Bakterien im Labor züchten, die bislang als unkultivierbar galten und für die Entwicklung neuer Antibiotika nicht zur Verfügung standen. Das Unternehmen konnte zeigen, dass Clovibactin eine sehr gute Aktivität gegen ein breites Spektrum von bakteriellen Krankheitserregern aufweist und in Modellstudien erfolgreich Mäuse behandelt hat.

Den Wirkungsmechanismus des neuen Antibiotikums haben wiederum die Forschenden um Tanja Schneider aufgeklärt. Sie belegen, dass Clovibactin gezielt und mit hoher Spezifität an Pyrophosphatgruppen bakterieller Zellwandbausteine bindet. Wie genau diese Bindung aussieht, hat die Gruppe um Prof. Markus Weingarth aus dem Fachbereich Chemie der Universität Utrecht aufgedeckt. Mit Festkörper-NMR-Spektroskopie entschlüsselten sie die Struktur des Komplexes aus Clovibactin und der bakteriellen Zielstruktur Lipid II. Diese Untersuchungen zeigten, dass Clovibactin um die Pyrophosphatgruppe greift. Daher rührt auch der Name, abgeleitet vom griechischen Klouvi was übersetzt Käfig bedeutet, weil es die Zielstruktur wie ein Käfig umschließt.

Die kombinierte Attacke minimiert Resistenzentwicklung

Die Erreger können die Zellwandbausteine nicht so leicht verändern, um das Antibiotikum zu unterlaufen – ihre Achillesferse bleibt damit bestehen, erläutern die Forschenden.

Nach dem Andocken an die Zielstrukturen bildet Clovibactin supramolekulare faserartige Strukturen aus, die die Zielstrukturen fest umschließen und die Bakterienzellen weiter schädigen. Bakterien, die auf Clovibactin treffen, werden außerdem dazu angeregt, bestimmte Enzyme, sogenannte Autolysine, freizusetzen, die nun unkontrolliert die eigene Zellhülle auflösen.

„Die Kombination dieser verschiedenen Mechanismen ist der Grund für die außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Resistenzen”, sagt Schneider. Das zeige, welches Potenzial noch in der natürlichen Vielfalt der Bakterien steckt, die für neue Antibiotika infrage kommen.

Das Forschungsteam will die Wirksamkeit des Clovibactin weiter steigern. „Doch bis das neue Antibiotikum auf dem Markt kommt, ist es noch ein weiter Weg“, betont Schneider.

Shukla, R et al: „A new antibiotic from an uncultured bacterium binds to an immutable target“ published in Cell on Aug, 23th, 2023 DOI: 10.1016/j.cell.2023.07.038

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