Omikron-Variante BA.2.75 zeigt schwächere Immunflucht als BA.4/5
Nach der ersten Identifizierung in einer Ende Mai 2022 entnommenen Probe ergab die genomische Überwachung bis Mitte Juli 2022 einen raschen Anstieg der Omikron-Unterlinie BA.2.75 auf mehr als 30 Prozent der sequenzierten SARS-CoV-2-Infektionen in Indien. Darüber hinaus wurden in zahlreichen Ländern weltweit Fälle von BA.2.75-Infektionen gemeldet. Am 15. Juli 2022 hat das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten die BA.2.75-Unterlinie zu einer Variante von Interesse erhoben.
Im Vergleich zur elterlichen BA.2-Linie von SARS-CoV-2 unterscheidet sich das Spike-Protein von BA.2.75 in neun Aminosäureresten und der Rezeptorbindungsdomäne. Durch die Beeinflussung entscheidender Epitope können Mutationen in diesen Domänen einen Wachstumsvorteil durch eine verringerte Anfälligkeit für SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper verschaffen. Forschende der Universitätsklinik Köln und der Berliner Charité untersuchten in einer Studie darum die Antikörpersensitivität von BA.2.75 im Vergleich zu vorherrschenden Omikron-Sublinien.
Monoklonale Antikörper wirken gegen BA.2.75 offenbar besser
Sie arbeiteten dabei mit Serumsproben, die vier Wochen nach Verabreichung einer BNT162b2-Impfstoffauffrischungsdosis jeweils einer Kohorte von 30 Beschäftigten im Gesundheitswesen und einer Kohorte älterer Personen (>70 Jahren) entnommen worden waren. Ergebnis: Die Serumaktivität gegenüber BA.2.75 war signifikant niedriger als die gegenüber BA.2, aber höher als die Serumaktivität gegenüber BA.4/5.
Anschließend untersuchten die WissenschaftlerInnen die Aktivität von 17 monoklonalen Antikörpern, die bedingt für den Einsatz gegen COVID-19 oder in fortgeschrittenen Stadien der klinischen Prüfung zugelassen sind. Ergebnis: Die meisten Antikörper neutralisierten BA.2, BA.4/5 oder BA.2.12.1 nicht – „mehrere dieser Antikörper zeigten jedoch eine nennenswerte Aktivität gegen BA.2.75”, schreiben sie.
Offen bleibt, welche Wachstumsvorteil der Subtyp gegenüber BA.4/BA.5 hat
Die Ergebnisse deuten laut den AutorInnen darauf hin, dass die Mutationen im Spike-Protein der BA.2.75-Unterlinie die Anfälligkeit für impfstoffinduzierte neutralisierende Aktivität in geringerem Maße verringern als die in BA.4/5 vorhandenen Mutationen.
Darüber hinaus zeigte BA.2.75 eine insgesamt höhere Sensitivität gegenüber SARS-CoV-2-neutralisierenden monoklonalen Antikörpern, einschließlich der derzeit in der klinischen Anwendung befindlichen Antikörper. Die Antikörperentweichung sei scheinbar eine insgesamt weniger ausgeprägte Eigenschaft von BA.2.75 im Vergleich zu BA.4/5. Offen bleibt, welche Eigenschaften dem Subtyp einen Wachstumsvorteil gegenüber BA.4/5 verschaffen.
Henning Gruell, Kanika Vanshylla, Pinkus Tober-Lau et al. Neutralisation sensitivity of the SARS-CoV-2 omicron BA.2.75 sublineage, The Lancet, Published:September 06, 2022, DOI: <link url="https://doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00580-1" import_url="https://doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00580-1 _blank external-link-new-window" follow="follow" seo-title="" target="new-window">doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00580-1