"Pandemie der Ungeimpften in allen Altersklassen"
Wenn sich eine ungeimpfte Person infiziere, führt das im Durchschnitt zu einer etwa drei- bis zehnmal höheren Belastung der Krankenhäuser, als wenn sich eine Person trotz Impfung infizieren würde, heißt es in dem Papier.
"Diesen Effekt sieht man in allen Altersklassen!"
Man erkenne das auch in den nach Impfstatus separat dargestellten aktuellen Inzidenzen. "Deshalb sprechen Krankenhäuser auch manchmal von einer Pandemie der Ungeimpften. Diesen Effekt sieht man in allen Altersklassen", mahnt der Kreis von Wissenschaftlern, dem Experten des Robert Koch-Instituts (RKI), der Ständigen Impfkommission (STIKO), von Unikliniken und Forschungsinstituten angehören.
Die Lage sei sehr kritisch, heißt es in dem gestern veröffentlichten Strategiepapier: In Deutschland herrsche derzeit die Delta-Variante von SARS-CoV-2 vor. Sie sei deutlich ansteckender als die bisher bekannten Varianten. Das bedeute ein hohes Risiko für Ungeimpfte, sich anzustecken. Hinzu komme, dass der Impfschutz ohne Dritt-Impfung mit der Zeit kontinuierlich nachlasse.
Nach fünf Monaten sinkt der Schutz rapide
Nach fünf Monaten sinke der Schutz gegen Ansteckung von einem Faktor von etwa zehn auf einen Faktor zwei bis drei. Dadurch trügen aktuell nicht nur die ungeimpften Personen zur Ausbreitung des Virus bei, sondern auch Geimpfte, bei dem die Impfung schon länger zurückliege. Zusammen mit der Herbst- und Wintersaison schlage sich das in einem rapiden Anstieg der Inzidenzen nieder. Um einer dauerhaften Überlastung der Intensivstationen entgegenzuwirken, sei insbesondere das Impfen und die Verbesserung des Impfschutzes durch eine Dritt-Impfung nachhaltig wirksam, erklären sie.
Um die Zeit bis zu einer ausreichenden Impfung zu überbrücken, seien die bekannten AHA+LA Regeln, sowie konsequent durchgesetzte und flächendeckende Regeln und Testkonzepte im Arbeits- und Freizeitbereich wichtig und hilfreich. 2G, 3G und eine vermehrte Testung als alleinige Maßnahme würden zur Durchbrechung der beginnenden Winterwelle nach Ansicht der Wissenschaftler nicht reichen.
Das seien nur Überbrückungsmaßnahmen, da sie das Problem der zu hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht direkt adressieren, sondern es stattdessen der “natürlichen Immunisierung” durch Infektion überlassen. Diese schreite jedoch deutlich langsamer voran als das Impfen es könnte, und sei auch mit einer erheblichen Krankheitslast verbunden.
Erwogen wird Ein zweiwöchiges "Not-Aus"
Das Fazit der Experten: Ein schnelles und umfassendes Impfen und Boostern erscheint als die wirksamste Methode, um das Pandemiegeschehen nachhaltig zu kontrollieren. SARS-CoV-2 werde aller Wahrscheinlichkeit nach endemisch.
Über kurz oder lang werde im Prinzip jede Person mit dem Virus in Kontakt kommen. Und falls trotz Impfung eine deutliche Kontaktbeschränkung notwendig werden sollte, empfehlen die Wissenschaftler einen kurzen, intensiven „Not-Schutzschalter“: Ein zweiwöchiges „Not-Aus“ von Kontakten in alle Bereichen - statt eines längeren Lockdown-Light.
Priesemann, V. et al., Nachhaltige Strategien gegen dieCOVID-19-Pandemie in Deutschland im Winter 2021/2022, Positionspapier vom 11.11.2021.