Patientendaten - cui bono?
"Für unseren Berufsstand steht die vertrauensvolle Zahnarzt-Patienten-Beziehung an erster Stelle. Der Schutz der Patientendaten hat deshalb Vorrang vor Effizienzsteigerungen mit zweifelhaftem Nutzen", hielt die FVDZ-Vorsitzende Kerstin Blaschke in ihrem Eingangsstatement fest.
Die Menge der im Gesundheitswesen gespeicherten Daten sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen, fügte Blaschke hinzu. Dabei hätten sich auch die Präferenzen verschoben. Der Schutz individueller Daten gerate gegenüber den Bedürfnissen der "Datensammelstellen" und den Begehrlichkeiten der Interessengruppen am Gesundheitsmarkt zunehmend in den Hintergrund.
Datenschutz in einer Zweierbeziehung
Für den FVDZ seien Patientendaten jedoch "heilig". Schließlich handele es sich beim Arzt-Patienten-Verhältnis zunächst um eine "Zweierbeziehung". Erst dann, wenn der Patient es wünsche, könnten Dritte mit eingebunden werden. Grundsätzlich sei der Datenschutz es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Prof. Paul Unschuld, Direktor des Horst-Görtz-Stiftungsinstituts der Berliner Charité, berichtete während der Podiumsdiskussion von einer neuen Wertigkeit der Patientendaten. Die Ursachen dafür verortete er im Wandel des Gesundheitswesens "von einem politischen Fürsorgeinstrument zu einer Gesundheitswirtschaft, in der Kranksein in mancher Hinsicht als volkswirtschaftlich wertvoller angesehen wird als Gesundheit".
Massenhaft auf intime Daten angewiesen
Aus dem einstigen Gesundheitswesen sei eine industrielle Gesundheitswirtschaft hervorgegangen. Hier sei ein Markt entstanden und unternehmerisches Denken gefragt. Damit einher gehe auch das wachsende Interesse an den intimen Daten der Patienten, die sich nicht nur ökonomisch-kommerziell nutzen ließen, sondern möglicherweise auch politisch und weltanschaulich relevant seien.
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Günther E. Buchholz, äußerte sich skeptisch zu zentralen Datensammlungen: "Das zentrale Sammeln von Klardaten ist immer problematisch, weil solche Daten auch immer Begehrlichkeiten wecken." Gerade bei sensiblen Sozial- beziehungsweise Gesundheitsdaten solle man daher so weit wie möglich davon absehen.
Buchholz: "Ja zur Digitalisierung, nein zur zentralen Patienten- und Behandlungsdatensammlung"
Zugleich dürfe keiner die Augen davor verschließen, dass sich die Welt geändert hat. Konkret würden die Möglichkeiten, Daten zu erzeugen, immer größer. Auf die Fehlentwicklungen in diesem Bereich müsse aufmerksam gemacht werden. Buchholz: "Wir sagen Ja zum Umgang mit modernen Medien und zur Digitalisierung. Ein eindeutiges Nein richten wir an die zentrale Sammlung von Patienten- vor allem aber von Behandlungsdaten."
Die Sicht der Krankenkassen vertrat Karsten Knöppler vom AOK-Bundesverband. Knöppler trat für einen gezielten Austausch der Patientendaten von Arzt zu Arzt ein und unterstrich die individuellen Vorteile für die Patienten. Gerade bei multimorbiden Patienten in einer interdisziplinären Behandlung sei es mit Blick auf eine erfolgreiche Therapie von Vorteil, wenn deren Daten nach außen geschützt allen beteiligten Medizinern zugänglich seien.
Ein weiterer positiver Effekt sei aus Kassensicht die Möglichkeit einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung. Die Anfälligkeit und Missbrauchsgefahr großer Datenmengen räumte jedoch auch Knöppler ein. Und auch für den bewussten Datenaustausch im kleinen Stil gebe es kein sicheres Format.
Bedauerlicherweise gebe es privatwirtschaftliche Unternehmen, die patientenbezogene Daten zu sammeln. Das werde auch in Verhandlungen mit Pharmaunternehmen deutlich, wenn auf Pharmaseite mehr Datenwissen vorliege als bei den Kassen. Laut Knöppler verkaufen zwei bis drei Institute bundesweit Patientendaten.
Eine Datenflut ist noch kein Wissen
Wie er den Verkauf seiner eigenen Patientendaten erlebte, schilderte Diplom-Informatiker Thomas Maus. Wie er berichtete, hatte ein Arzt seine Daten unerlaubt weitergegeben. Der zuständige Datenschützer musste demnach "zum Jagen getragen" werden. "In einer derart gigantischen IT-Infrastruktur, wie man sie im Gesundheitswesen findet, kann niemand den individuellen Schutz der Gesundheitsdaten gewährleisten", war der IT-Experte überzeugt.
Das zeige auch die Vergangenheit, in der Datenlecks und -missbrauch unter anderem auch bei Krankenkassen bereits aufgetreten seien. Die NSA, die in ihren Daten "ertrinkt", verfüge allerdings noch nicht über verwertbares Wissen. Dafür müsste die gespeicherten Daten erst entsprechend verarbeitet werden.
Die vom Bürger selbst geschaffene Datentransparenz hält Maus für "absoluten Wahnsinn." Er appellierte an die Bundesregierung, die Spielregeln für den Umgang mit großen Datenmengen vorzugeben und nicht allein dem Effizienzgedanken zu folgen. Andernfalls könnte es zu beispiellosen Selektionsmöglichkeiten - etwa im Arbeitsleben - kommen .