Personalengpässe machen krank
Beschäftigte in Branchen mit Personalnot und Fachkräftemangel haben ein höheres Gesundheitsrisiko: Ein Viertel leidet unter Schmerzen, ein Drittel hat Schlafstörungen, mehr als die Hälfte ist komplett erschöpft. Wie aus dem neuen DAK-Gesundheitsreport 2023 hervorgeht, erlebt ein großer Teil in Deutschland regelmäßig in ihrem Arbeitsalltag Personalengpässe.
Für den Report hatte das Forsa-Institut mehr als 7.000 erwerbstätige Frauen und Männer repräsentativ befragt. 45 Prozent berichteten demnach von regelmäßigem Personalmangel in ihrem Arbeitsumfeld. In vielen Berufsgruppen sei die Situation noch angespannter, so der Report: Drei Viertel (74 Prozent) der Krankenpflegekräfte hatten zum Beispiel angegeben, ihre Arbeit mit dem vorhandenen Personal nur unter großen Anstrengungen zu schaffen. Dies habe auch die große Mehrheit der Altenpflegerinnen und -pfleger (65 Prozent) bestätigt. Hinzu komme: Je extremer die erlebte Personalnot, desto stärker neigten die Beschäftigten zu Präsentismus. So hätten 70 Prozent mit regelmäßigem Personalmangel in den vergangenen zwölf Monaten gearbeitet, obwohl sie krank waren, gegenüber 41 Prozent ohne Personalmangel.
„2030 fehlen fünf Millionen Fachkräfte“
Der Bericht verweist auf das Institut der deutschen Wirtschaft, das bis 2030 mit einer Lücke von rund fünf Millionen Fachkräften rechnet. Der Krankenstand in Mangelberufen sei bereits heute mit bis zu 7,0 Prozent überdurchschnittlich hoch. Ständiger Personalmangel sei schon heute für fast die Hälfte der Beschäftigten Realität – mit gravierenden Gesundheitsrisiken, die Arbeitswelt stehe enorm unter Druck, kommentierte Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit. Die Zusammenhänge zwischen Personalmangel und Krankenstand seien viel größer als bisher vermutet. Deshalb müsse man schnell gegensteuern.
Häufige Probleme seien ein starker Termin- und Leistungsdruck, Überstunden und versäumten Pausen, wie aus dem Bericht weiter hervorgeht. Wer regelmäßig Personalmangel erlebe, könne in der Freizeit oft nicht abschalten, verzichte auf Sport und finde wenig Zeit für Hobbys, Familie und Freunde. Stress und Druck einerseits sowie fehlende Erholung und Ausgleich andererseits würden zudem die Gesundheit negativ beeinflussen: Fast die Hälfte sei häufig oder sehr häufig müde und erschöpft (54 Prozent). Rund ein Drittel (35 Prozent) berichte von nächtlichen Schlafstörungen oder Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems, wie Rückenschmerzen, und mehr als ein Fünftel (23 Prozent) leide unter Kopfschmerz.
„Hohe Fehlzeiten und Personalmangel bedingen sich gegenseitig“
Der DAK-Report weist für die Berufsgruppen mit den größten Fachkräftelücken einen um bis zu 1,5 Prozentpunkte erhöhten Krankenstand gegenüber dem Berufe-Durchschnitt aus (5,5 Prozent). Nur die Mangelberufe im IT-Bereich bildeten hier eine Ausnahme, heißt es. DAK-versicherte Erwerbstätige in der Altenpflege hätten 2022 zum Beispiel den höchsten Krankenstand mit 7,0 Prozent. Bei den Beschäftigten in der Fahrzeugführung, der Kinderbetreuung und im Maschinenbau waren es 6,8 Prozent, in der Krankenpflege 6,1 Prozent. Die DAK spricht von einem Teufelskreis – bei dem sich hohe Fehlzeiten und Personalmangel gegenseitig bedingen und verstärken.
Bei dem Versuch, die betrieblichen Aufgaben unter den Zwängen des Personalmangels zu meistern, werde aktuell in vielen Unternehmen die gesundheitliche Dimension ausgeblendet, wie der Report unterstreicht. Kaum mehr als ein Fünftel habe angegeben, dass in der täglichen Arbeit Gesundheitsaspekte berücksichtigt würden. Und nur 31 Prozent hätte angegeben, dass sich ihr Betrieb für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter engagiere.
DAK-Chef Storm forderte als Konsequenz aus den Ergebnissen des Reports eine konzertierte Aktion, an der verantwortliche Akteurinnen und Akteure beteiligt sind. Er schlug einen Runden Tisch unter Beteiligung von Politik, Sozialpartnern und Krankenkassen vor.
Für den Gesundheitsreport 2023 hatte das IGES Institut in Berlin die Daten von 2,4 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten analysiert, eine durch das Forsa-Institut durchgeführte Befragung von mehr als 7.000 erwerbstätigen Frauen und Männern im Alter von 18 bis 65 Jahren konzipiert und ausgewertet sowie zahlreiche Expertinnen und Experten eingebunden.