Praxisübergabe: Bitte nicht herumeiern!

Birgit Dohlus
Praxis
Ob man will oder nicht: Neben den harten Fakten spielen bei der Praxisübergabe immer auch die Emotionen eine Rolle. Wie man Herr der Lage wird, darum ging es auf dem zweiten Thementag "Praxisübergabe" des Berufsverbands der deutschen Kieferorthopäden (BDK).

Was ist eine Praxis überhaupt wert - und sagen Zahlen tatsächlich alles? Mit welchen "Wechselgefühlen“ muss man rechnen - beim Abgeber und bei sich selbst als Übernehmer? Kann man auch einen Teil einer Praxis ver-/kaufen oder muss es gleich das ganze Paket sein? Und übernimmt man am besten das Team, das aktuell zur Praxis gehört? Diese und andere Fragen sollte der zweite Thementag "Praxisübergabe" der Veranstaltungsreihe "Young Orthodontists" des Berufsverbands der deutschen Kieferorthopäden (BDK) beantworten. 

"Komplett überrollt"

Aus seiner Startphase in eigener Niederlassung berichtete Moderator und Einstiegsreferent Dr. Stefan Schmidt, Fachzahnarzt in Kassel. Er sei damals von dem Angebot, eine Praxis komplett zu übernehmen, in die er eigentlich nur einsteigen wollte, komplett überrollt worden, berichtete er. Zu dem Zeitpunkt habe er nicht nur von BWA & Co keine Ahnung gehabt, sondern bis dahin auch über keinerlei unternehmerische Erfahrungen verfügt.

"Das größte Risiko für eine Gründung ist der Unternehmer selbst"

Nach kurzen Schilderungen aus dem eigenen Lernprozess, nicht zuletzt zu motivierenden Aspekten pro Niederlassung statt Anstellung, gab er allen Teilnehmern einen wichtigen Merksatz mit auf den Weg: "Das größte Risiko für eine Unternehmensgründung ist der Unternehmer selbst.“ Und eine dringende Empfehlung: "Lieber eine Stunde über Geld nachdenken als für Geld arbeiten - das Nachdenken zahlt sich erheblich länger aus.“

Bei der Praxisübernahme gebe es "Partner mit und ohne Wahl“. Zu den "Partnern ohne Wahl“ gehörten die zuständige Kammer und KZV - und letztlich auch "der Patient“ und seine Krankenkasse. Zu den vielen "mit Wahl“ gehörten potenzielle Praxispartner. Man könne wählen, ob man einen Partner will oder zwei oder lieber keinen.

"Wer sagt denn, dass man mit 65 aufhören muss?"

"Wer eher kauzig ist, für den ist eine Einzelpraxis sicher der bessere Schritt. Andererseits kann man sich in einer Praxis zusammen mit Kollegen besser vertreten.“ Denkbar sei auch, noch eine Weile mit dem Praxisabgeber zusammenzuarbeiten: "Wer sagt denn, dass man mit 65 aufhören muss, wenn es doch Spaß macht, man auf dem Laufenden ist und wertvoll für die jungen Kollegen?“

Ohnehin spiele der Aspekt "Wert“ bei den ausführlichen Fachvorträgen eine deutliche Rolle: "Wer verkaufen will, fragt sich: Welchen Wert hat meine Praxis? Und wer kaufen will: Was ist mir diese Praxis wert?“ Beide Zahlen, erläuterte Steuerberater Chris Kramer, Oldenburg, führten selten zu überlappenden Ergebnissen.

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"Spannender als die Komfort- ist die Konfliktzone!"

Manchmal werde der Abgabewert auch durch die Interessen Dritter mitbestimmt: "Auch Erben möchten etwas vom Verkauf haben - oder auch Beteiligte bei einem Insolvenzfall.“ In die Bewertung hinein spielten sehr viele unterschiedliche Faktoren. Die von Kramer vorgestellten Wege der Berechnung ("Am häufigsten wird die novellierte Bundesärztekammerverordnung genutzt.“) führten zu vielen Nachfragen und Diskussionen. Ein Thema also, das potenzielle Abgeber und Übernehmer gleich intensiv beschäftigt.

Bei einer Übergabe gehe es allerdings nicht nur um Zahlen, sondern auch um Emotionen: "Gönnen Sie sich einen Perspektivenwechsel“, empfahl Coach Dipl.oec. Hans-Dieter Klein, Stuttgart. Sowohl beim Abgeber als auch beim Übernehmer sei mit "Schmerzen“ zu rechnen, wenn auch unterschiedlicher Art.

Man könne sich bei den Verhandlungen und Plänen in einer "Komfortzone“ der Kommunikation bewegen, müsse dann aber mit Stagnation rechnen. Spannender sei die "Konfliktzone“, die zwar auch mit ängstlichen Gefühlen verbunden sein könne, aber der Motor sei für Wachstum, nicht nur an pekuniären Werten.

"Wie sieht mein Lebensinhalt aus, wenn ich die Praxis führe?"

Zu schlechten Gefühlen führten in der Regel finanzielle Schieflagen: "Der Abgeber sollte daher frühzeitig eine Finanzvorschau zu seinen Einnahmen und Ausgaben plus Sicherheitsreserve erstellen - und der Übernehmer sich fragen: Wie sieht mein Lebensinhalt dann aus, wenn ich die Praxis führe?“ Ein Businessplan sei zwar wichtig für die finanzierende Bank, noch sinnvoller aber für den Gründer selbst. So behalte man am besten den Durchblick. Es sei meist ein Planungsfehler, wenn nach einiger Zeit festgestellt wird: "Ich sollte mehr einnehmen bei meinen Ausgaben.“

"Was ist eigentlich eine Praxis“, fragte RA Stephan Gierthmühlen, "und was kaufe ich da letztlich?“ Schließlich könne man eine Praxis kaufen, einen Praxisteil oder einen Praxisanteil. Wenn nicht alles vorher gut bedacht ist, stellt man nachher vielleicht fest, dass man wesentliche Teile gar nicht mitgekauft hat: Technik und Mobiliar ist in den Verträgen, aber Logo, Webdomain, Praxisname?

Nicht immer ist ein Ver/Kauf einfach: "Eventuell reicht es nicht, dass der Praxisinhaber alles unterschreibt - wenn die Praxis den Familienunterhalt darstellt, kann es sein, dass auch der Ehepartner zustimmen muss.“ In der Regel übernimmt der Käufer auch das Praxisteam und dessen langjährige Verträge: "Achten Sie rechtzeitig darauf: Unter den Mitarbeitern kann auch die Ehefrau des Praxisabgebers sein.“

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"Sinnvoll ist der Start mit der Zwei-Schrank-Lösung!"

Viele weitere Hinweise drehten sich um rechtliche und datenschutzrechtliche Aspekte, ein Tipp von RA Gierthmühlen: "Sinnvoll ist der Start mit der Zwei-Schrank-Lösung: für die Patienten des alten und des neuen Inhabers getrennt.“ Mit der Zeit wanderten die älteren Daten vermutlich in den Neu-Schrank: "In der Regel bleiben viele Patienten der Praxis treu.“

Auch viele Praxismitarbeiter bleiben der Praxis erhalten, darunter seien sowohl solche, über die man sich freut, aber auch solche, die Probleme verursachen, erklärte Unternehmensberaterin Gertrud Hansel. "So eine Praxisübergabe kann zu Konflikten führen - oder aber zu neuem Elan.“ Das Team müsse man "mitnehmen“ und ausreichend Zeit für die gemeinsame Kommunikation einplanen. "Bedenken Sie dabei: Die Mitarbeiter mussten viele Jahre loyal ihrem alten Chef gegenüber sein - dafür muss man Verständnis zeigen.“

"Je mehr man herumeiert, desto mehr eiert dann auch das Team.“

Von Anfang an aber gelte es, deutlich zu machen, wer jetzt der Chef oder die Chefin ist und wo es hingehen soll mit der Praxis: "Wer mitgehen soll, der will geführt werden. Je mehr man herumeiert, desto mehr eiert dann auch das Team.“

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