Pro und Contra Masernimpfung
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will alles tun, um eine Masern-Impfpflicht zu vermeiden. So solle schon beim Kita-Eintritt der Impfstatus erfragt werden. Zudem solle es mehr Geld für die Aufklärung geben, sagte er in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.). "Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir mit den genannten Maßnahmen an einer Impfpflicht vorbei kommen", betonte der Minister. "Aber wenn es in den nächsten Jahren nicht gelingt, die Masern in Deutschland auszurotten, wird an der Debatte über eine Impfpflicht kein Weg vorbei führen." Das werfe jedoch schwierige rechtliche Fragen auf. "Was mache ich mit denjenigen, die sich weigern, sich oder ihre Kinder impfen zu lassen?"
"Mottenkiste paternalistischer Medizin"
Nach einer Schätzung des Robert Koch-Instituts sind in diesem Jahr bereits über 1.200 Menschen an Masern erkrankt. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Birgitt Bender, sprach sich entschieden gegen einen gesetzlichen Zwang zum Impfen aus. "Wer mit dem Ruf nach Impfpflicht in die Mottenkiste paternalistischer Medizin greift, stärkt nur die Impfgegner", sagte sie der Zeitung. Notwendig sei vielmehr die Aufklärung über Nutzen und Risiken einer Masernimpfung.
Ganz klar für eine Impfpflicht ist dagegen der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery: "Aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht ist eine Impfpflicht das einzig Sinnvolle." Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Elke Ferner, und der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), sehen eine Impfpflicht wie Bahr nur als letztes Mittel.
In einer repräsentativen, online durchgeführten Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa hatte sich Mitte Juli eine deutliche Mehrheit von 76 Prozent der Befragten für eine Impfpflicht im Fall von bestimmten Krankheiten ausgesprochen.
Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet nach den Worten Bahrs derzeit an einer Regelung, den Impfstatus künftig schon bei der Aufnahme von Kindern in Kita oder Kindergarten abzufragen und nicht wie bisher erst vor der Einschulung. Drei Viertel der Deutschen (76 Prozent) plädieren einer Emnid-Umfrage zufolge dafür, dass Kinder nur dann Schulen oder Kitas besuchen dürfen, wenn sie gegen Kinderkrankheiten wie Masern geimpft sind. Emnid hatte im Auftrag des Nachrichtenmagazins "Focus" am 17. und 18. Juli repräsentativ ausgewählte Frauen und Männer befragt.
"Masernpartys sind vorsätzliche Körperverletzung"
Auch der Arzt und Komiker Eckart von Hirschhausen wirb für das Impfen: "So wie es beim Sicherheitsgurt selbstverständlich ist, eine Schutzmaßnahme verbindlich zu machen, wenn die Folgekosten die Solidargemeinschaft trägt, so macht Impfen für alle bei Masern sehr viel Sinn", schreibt er bei "taz.de". Wer sich aus der kollektiven Verantwortung stehle, müsse aus Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen werden. Masernpartys, bei denen ungeimpfte Kinder mit masernkranken zusammenkommen, seien "vorsätzliche Körperverletzung".