Schaden in Millionenhöhe

Rechnungshof tadelt Corona-Bekämpfung des Berliner Senats

ck/pr
Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat die damals zuständige Gesundheitsverwaltung des Berliner Senats erhebliche Fehler begangen, rügt der zuständige Rechnungshof in einem Sonderbericht. Die Beispiele sind krass.

Fehler und organisatorische Defizite hat der Berliner Rechnungshof der seinerzeit für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung unter der Leitung der früheren Senatorin Dilek Kalayci (SPD) bescheinigt. Entstanden ist wohl ein Schaden in Millionenhöhe.

Fehler und organisatorische Defizite

In mehreren Fällen sei gegen die Landeshaushaltsordnung verstoßen worden. Dies betreffe unter anderem Mängel bei der Organisation des Krisenstabs der Verwaltung, die unzureichende Abgrenzung des Stabs gegenüber der normalen Arbeit der Verwaltung und eine Überlastung des Personals.

Die seinerzeit für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung hatte den Rechnungshof im Jahr 2021 in einer Hochphase der Pandemiebewältigung um Beratung zu den Prozessen innerhalb der Verwaltung gebeten. Der Rechnungshof hatte daraufhin entschieden, die aktuelle Situation insbesondere im Hinblick auf den Handlungsbedarf für Krisenprävention zu untersuchen. Der Verwaltung sollten Hinweise gegeben werden, wie sie sich für zukünftige Krisen besser aufstellen kann.

Finanziell besonders krasse Beispiele

Ein Dienstleister hat für seine Leistungen von November 2020 bis März 2021 insgesamt 1.707.688,47 Euro vom Land Berlin erhalten. Die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung hat nicht überwacht, ob er Einnahmen aus der Erstattung von Kosten nach der TestV durch die KV Berlin erzielt hat, die an den Landeshaushalt zu erstatten gewesen wären.

Ein anderes Unternehmen hat Gutschriften über Erstattungen der KV Berlin über rund 5,4 Millionen Eurofür die Durchführung von Testungen nach § 12 TestV für sieben Monate gegenüber der Senatsverwaltung angezeigt und zurückgezahlt. Obwohl damit der Abrechnungszeitraum nicht vollständig abgedeckt war und noch Abrechnungen für 2020 ausstanden, ist die Senatsverwaltung dem nicht nachgegangen.

Dieselbe Firma hat für Leistungen zur Einrichtung und zum Betrieb von Testzentren im Zeitraum von November 2020 bis Oktober 2021 insgesamt 52.979.172,43 Euroaus dem Landeshaushalt erhalten. Die KV Berlin hat im Oktober 2021 weitere Erstattungen gegenüber der Firma mit der Begründung abgelehnt, dass dessen Betriebskosten bereits über die aus der Vereinbarung mit dem Land Berlin erzielten Einnahmen vollumfänglich gedeckt seien und gemäß § 13 Abs. 2 TestV insofern kein Anspruch mehr bestünde.

Ein Dienstleister hat für die Monate Juni bis Oktober 2021 der Senatsverwaltung Kosten für den Betrieb von Testzentren und für weitere Betriebskosten insgesamt 9.520.818,60 Euro in Rechnung gestellt. Es sah sich vertraglich nicht in der Pflicht, Erstattungen nach der Coronavirus-Testverordnung gegenüber der KV Berlin geltend zu machen, um diese an das Land Berlin zurückzuzahlen.

Die Senatsverwaltung hat zudem in vielen Fällen Leistungen für die Dienstleister auch kostenlos erbracht, obwohl diese von den Betreibern als Betriebskosten nach § 13 TestV hätten gegenüber der KV Berlin geltend gemacht werden können. Hierzu gehörte die Anmietung und unentgeltliche Überlassung von Räumen für den Betrieb der Testzentren. Da dem Rechnungshof hierzu bis Oktober 2021 keine vollständige Übersicht über alle geschlossenen Verträge vorgelegt worden ist, kann die genaue Ausgabenhöhe nicht beziffert werden. Dem Rechnungshof liegt hierzu beispielhaft nur eine Rechnung eines Vermieters für die Überlassung von Räumlichkeiten für vier Teststellen für die Monate April bis August 2021 in Höhe von 79.560 Euro vor. Da die Senatsverwaltung die Räume selbst angemietet, die Einrichtung bezahlt und die Mietkosten getragen hat, hätte sie auch die Möglichkeit einer nachträglichen Erstattung über die KV Berlin selbst prüfen müssen. Sie hatte sich bis November 2021 nicht um eine entsprechende Klärung bemüht. Dem Land Berlin sind durch dieses Versäumnis zusätzlich mögliche Einnahmen entgangen.

Zusammengefasst hat demnach die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung:

  • Dienstleistungsunternehmen mit dem Betrieb von mobilen Testteams und Testzentren beauftragt und alle Kosten vollumfänglich übernommen, obwohl dafür eine Abrechnungsmöglichkeit über die KV Berlin bestand.

  • Sie hat Verträge mit den Dienstleistungsunternehmen geschlossen, ohne zuvor alle Kostenerstattungsoptionen ausreichend geprüft und mit der KV Berlin abgestimmt und/oder auf andere Weise vertraglich sichergestellt zu haben.

  • Sie hat Verträge geschlossen, ohne hierfür über alle notwendigen Informationen zu verfügen. Das betrifft insbesondere die Ausgabepositionen, die durch die Erstattungen nach der Coronavirus Testverordnung gedeckt sind. Dadurch hat sie eine spätere Erstattung von Ausgaben durch Dritte (KV Berlin) teilweise unmöglich gemacht.

  • Sie hat versäumt, durch eine entsprechende Vertragsvorbereitung nur notwendige Ausgaben zu leisten beziehungsweise die Voraussetzungen für das Entstehen von Einnahmen zu schaffen. Sie hat damit unwirtschaftlich gehandelt.

  • Das Finanzierungs- beziehungsweiseEinnahmerisiko lag alleine aufseiten der Senatsverwaltung und konnte dadurch, dass die Betreiber selbst mit der KV Berlin abrechnen, auch nicht von ihr im Nachhinein beeinflusst werden.

  • In den Verträgen mit den Dienstleistungsunternehmen war zum Teil nicht einmal die Verpflichtung der Betreiber festgelegt, welche Ausgaben diese über die KV Berlin vorrangig geltend zu machen hatten, oder eine Abtretung von Einnahmen aus Erstattungen nach der Coronavirus-Testverordnung geregelt. 

Der Berliner Rechnungshof empfiehlt daher:

Krisenprävention organisatorisch zu verbessern: In der damals für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung habe es zu Beginn der Krise im Jahr 2020 kein gültiges Organisationsschema für den Aufbau eines Krisenstabs gegeben, kritisiert der Rechnungshof. Die alte Bestimmung hierfür war 2018 ausgelaufen. Der zuständigen Senatsverwaltung gelang es dann kurzfristig nicht mehr, ein effektives Krisenmanagement zu errichten. Dem Land Berlin könnten dadurch Einnahmen in mehrstelliger Millionenhöhe entgangen sein, so der Rechnungshof. Zudem sei es zu einer erheblichen Überlastung der Beschäftigten gekommen, da die Personalausstattung für die zu bewältigenden Aufgaben nicht ausgereicht habe. Bereits vor einer Krise müsse geklärt sein und eingeübt werden, wer, was, wie und wann zu tun hat. In der akuten Krise lasse sich eine fehlende Vorbereitung nicht mehr kompensieren, verdeutlicht der Rechnungshof.

Ressortübergreifende Zusammenarbeit zu stärken: Es fehlte außerdem an einer ressortübergreifenden Kooperation und Unterstützung bei der Bewältigung der Krise. Insbesondere sei es nicht - wie in anderen Bundesländern - zu einer strukturierten Zusammenarbeit mit der Innenverwaltung gekommen, analysiert der Rechnungshof. Zukünftig müssten in einer Krise die zusätzlich benötigten Ressourcen und bekanntes notwendiges fachliches Know-how ressortübergreifend bereitstehen und die Vernetzung der Senatsverwaltungen untereinander intensiviert werden.

Regelungen unterhalb der Schwelle des Katastrophenfalls zu erlassen:In Berlin fehlten diese Regelungen völlig, so der Bericht. Erforderlich seien Verwaltungsvorschriften und Verfahrensregelungen, die eine Orientierung für alle Beteiligten in Krisensituationen geben, in denen der Katastrophenfall nicht ausgerufen werde, aber koordinierungsbedürftige Großereignisse eingetreten seien.

Als positiv vermerkte der Rechnungshof, dass die Senatsverwaltung bereits während der Prüfung im September 2021 die bestehenden organisatorischen Probleme erkannt und Veränderungen bei den Zuständigkeiten vorgenommen hatte.

Der jetzige Staatssekretär für Gesundheit und Pflege, Thomas Götz (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) will aus den Erfahrungen für die Zukunft lernen: „Der Bericht zeigt zum einen die Notwendigkeit einer abgestimmten, bezirksübergreifenden Organisation in gesundheitlichen Krisensituationen und gleichzeitig verweist er auf die Herausforderungen einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit bei gesamtgesellschaftlichen Krisen, die – wie die Corona-Pandemie – nicht nur auf den Gesundheitsbereich beschränkt sind.“

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