Kommission gibt Empfehlungen

Reform soll Notaufnahmen entlasten

pr
Die Notfallversorgung soll grundlegend reformiert werden – dazu hat eine Kommission jetzt Empfehlungen vorgelegt. Dazu sollen integrierte Notfallzentren und integrierte Leitstellen aufgebaut werden.

Um Patientinnen und Patienten künftig im Notfall schneller und effektiver in Krankenhäusern zu versorgen, hat eine von der Bundesregierung eingerichtete Reformkommission für eine „moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ gestern Empfehlungen vorgelegt. Der Plan: Es sollen flächendeckend integrierte Notfallzentren (INZ) sowie integrierte Leitstellen (ILS) aufgebaut werden. Diese sollen die beiden Notrufnummern 112 und 116 117 zusammenführen. Hilfesuchende sollen durch die Leitstelle – nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung - der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden. Die Reformkommission hatte im Dezember bereits Vorschläge zu einer grundlegenden Krankenhausreform vorgelegt, die Empfehlungen zur Notfallversorgung waren damals bereits angekündigt worden.

Die integrierten Notfallzentren, die an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung aufgebaut werden sollen, sollen die Patienten dann den richtigen Strukturen zuweisen, schreibt die Kommission. Das sei entweder die Notaufnahme der Klinik oder die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die neuen Notfallzentren sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notfallpraxis sowie einem „Tresen“ als zentraler Entscheidungsstelle bestehen, schlägt die Kommission vor.

Ziel ist, Notaufnahmen in Krankenhäusern zu entlasten

Aufgrund unmittelbarer Erreichbarkeit rund um die Uhr, guter medizinischer Beratung und telemedizinischer ärztlicher Hilfe sowie verbindlicher Terminvermittlung sollen die Leitstellen für die Betroffene so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden, so die Stellungnahme. Dort soll eine von medizinisch qualifizierten Fachkräften vorgenommene standardisierte, wissenschaftlich validierte, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung durchgeführt werden. Das soll eine Über- oder Unterversorgung von Notfällen verhindern. Notaufnahmen in Krankenhäusern sollen so möglichst nur von Hilfesuchenden genutzt werden, die diese komplexen Strukturen wirklich benötigen.

Durch den Aufbau von INZ an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung (insgesamt derzeit rund 420 in Deutschland) sollen Patientinnen und Patienten durch eine bedarfsgerechte Steuerung den richtigen Strukturen zugewiesen werden, heißt es weiter. Die Beteiligung sowohl der KVen als auch der Krankenhäuser am INZ ist verpflichtend. Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden. Außerdem sollen integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendmedizin (KINZ) an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie Krankenhäusern mit einer pädiatrischen Abteilung aufgebaut werden.

„Drehtüreffekte“ sollen vermieden werden

Vor allem der Notfall- und Akutbereich hatten in den vergangenen Jahren verstärkt eine Auffangfunktion für andere Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen wahrgenommen, heißt es bei der Regierungskommission. Laut Bericht ist die Zahl von Notfallpatienten in Deutschland zuletzt deutlich gestiegen. So wurden 2019 insgesamt 27,8 Millionen Notfälle versorgt, das waren drei Millionen mehr als noch 2009. Allein die Zahl der vom Krankenhaus behandelten Notfallpatienten sei innerhalb von zehn Jahren um knapp 30 Prozent auf 14,9 Millionen gestiegen.

Außerdem leide der Bereich besonders unter den Defiziten des übrigen Gesundheitswesens, so etwa der unzureichenden Digitalisierung, dem demografischen Wandel und dem Personalmangel. Es seien sofortige Maßnahmen zur Stärkung der Notfallversorgung erforderlich. Vulnerable Gruppen seien besonders stark von der Fehlsteuerung und Fehlversorgung betroffen. Es entstünden „Drehtüreffekte“ dadurch, dass Personen nicht adäquat versorgt würden und in der Folge immer wieder das Notfallversorgungssystem in Anspruch nähmen, heißt es in der Stellungnahme.

Lauterbach: Versorgung soll da stattfinden, wie sie sinnvoll ist

Patienten in Not schnell und effektiv zu helfen, sei Ziel einer guten Akutversorgung, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gestern bei der Präsentation der Stellungnahme in Berlin. Dafür müssten vorhandene Strukturen aufgebrochen und neu geordnet werden. „Leitgedanke muss dabei sein, dass Versorgung dort stattfindet, wo sie medizinisch auch sinnvoll ist,“ sagte der Minister.

Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt der Vorschlag der Kommission einige brauchbare Ansätze, vieles erscheine jedoch unrealistisch. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen kommentiert: „So sollen Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen in den Integrierten Notfallzentren mit werktäglichen Öffnungszeiten von 14 bis 22 Uhr tätig sein. Wann sollen die Kolleginnen und Kollegen dann noch in ihren eigenen Praxen arbeiten?“, fragte er. Für die KBV stellen die Vorschläge nicht wirklich einen Beitrag dar, knappe Ressourcen optimal zu bündeln und zu integrieren. Außerdem bleibe die Rolle des Patienten als Auslöser der Inanspruchnahme notärztlicher Leistungen komplett außen vor und werde überhaupt nicht beleuchtet.

Rettungsdienste sehen die Reformpläne kritisch

Der AOK-Bundesverband hingegen sieht die Notfallversorgung auf dem richtigen Weg. Wichtig sei aus Sicht der AOK, dass die sektorale Trennung in diesem Bereich überwunden werde, erklärte die Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann: „Die Patientinnen und Patienten brauchen endlich eine zentrale Anlaufstelle und eine Notfallversorgung aus einer Hand.“ Allerdings sollten die Integrierten Notfallzentren als eigenständige Organisationseinheiten verankert werden, um die bisher stark fragmentierten Versorgungsstrukturen zu überwinden, meint sie.

Rettungsdienste zeigten sich Presseberichten zufolge den Plänen kritisch gegenüber. Die in der Reform geplante Spezialisierung der Krankenhäuser werde dazu führen, dass weniger Notaufnahmen existieren würden und dass mit den Rettungswagen weitere Fahrstrecken und damit längere Fahrzeiten entstünden, heißt es etwa seitens der Johanniter. Da würden auch integrierte Notfallzentren nicht helfen.

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