Österreichische Meta-Analyse bestätigt

Schichtdienst beeinträchtigt Reaktion und Impulskontrolle

LL
Gesellschaft
Eine umfassende Meta-Analyse verdeutlicht, wie groß die Auswirkungen von wechselnder Schichtarbeit auf die kognitive Leistungsfähigkeit sind. Einzelne Funktionen sind demnach um mehr als 80 Prozent reduziert.

Schichtarbeit, die gegen den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus ausgeübt wird, kann Auswirkungen auf das Arbeitsgedächtnis haben und die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit verlangsamen. Diese Verbindung stellte eine Meta-Analyse der Sigmund Freud Privatuniversität Linz fest, für die Daten aus 18 zwischen 2005 und 2020 erschienene Studien systematisch ausgewertet wurden. Das Durchschnittsalter der knapp 19.000 Probanden lag bei 35 Jahren. Die Hälfte der ausgewerteten Studien untersuchte explizit Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Die Studien umfassten sechs verschiedene gängige Testverfahren: Zur Impulskontrolle und zum situativen Reaktionsvermögen (kognitive Kontrolle), zur Arbeitsgeschwindigkeit, zum Arbeitsgedächtnis, zur Wachsamkeit (der sogenannten psychomotorischen Vigilanz), zur Fähigkeit, unwichtige visuelle Hinweise herauszufiltern (visuelle Aufmerksamkeit) und zur Fähigkeit, unbewusst zwischen Aufgaben zu wechseln.

Risiko für Fehler und Verletzungen steigt

Die Ergebnisse zeigen signifikant schlechtere Leistungen von Schichtarbeitern im Vergleich zu Nicht-Schichtarbeitern in folgenden Bereichen:

  • Kognitive Kontrolle um 86 Prozent (alle Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 0,45 bis 1,27)

  • Arbeitsgeschwindigkeit um 16 Prozent (Spreizung 0,02 bis 0,30)

  • Arbeitsgedächtnis um 28 Prozent (Spreizung 0,51 bis 0,50)

  • Psychomotorische Vigilanz um 21 Prozent (Spreizung 0,05 bis 0,37)

  • Visuelle Aufmerksamkeit um 19 Prozent (Spreizung 0,11 bis 0,26)

Das Risiko für Fehler und Verletzungen steigt, wenn der Organismus aus dem Rhythmus kam, schreiben die Autoren. Regelmäßige Pausen und im Idealfall die Kontrollmessung der Funktionsstörung und der Beeinträchtigung durch nicht erholsamen Schlaf seien daher besonders wichtig bei der Schichtarbeit, lautet ihre Empfehlung.

Einfluss des Zirkadianen Rhythmus

Der beobachtete Effekt wird dem gestörten zirkadianen Rhythmus zugeschrieben. Dieser ist darauf ausgelegt, beim Menschen in der Dunkelphase ein Optimum an Schlaf und Erholung und in der Hellphase ein Optimum an Leistung zu ermöglichen und beeinflusst fast alle Körperfunktionen. Wenn nicht im natürlichen Tag-Nacht-Zyklus gearbeitet wird, kann diese zu einem gestörten zirkadianen Rhythmus führen.

Betroffen ist auch die Ausschüttung von Kortisol und Melatonin, deren Konzentration im Blut im Wechsel dem natürlichen Tages- und Nachtrhythmus folgen und daher zu verschiedenen Zeitpunkten in unterschiedlicher Konzentration vorkommen, heißt es. Wird der Schlaf-Wach-Zyklus unterbrochen, kann das neben Müdigkeit und Abgeschlagenheit auch Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Fettleibigkeit, Diabetes, Stimmungsschwankungen und auch Drogenmissbrauch fördern, hebt die Analyse hervor.

Arbeitsanforderungen, -Belastung und Definition von Schichtarbeit unterscheiden sich

Es gibt jedoch Einschränkungen bei den Ergebnissen der Analyse, schreiben die Autoren. Zum einen unterschieden sich die Arbeitsplätze in Bezug auf die Anforderungen sowie die Arbeitsbelastung. Ergebnisse zu Auswirkungen der Schichtarbeit in bestimmten Berufsgruppen könnten daher über- oder unterschätzt sein.

Auch erlaubten die Querschnittsstudien nicht, den eindeutigen Schluss zu ziehen, dass Schichtarbeit die Leistung höherer Hirnfunktionen beeinträchtigt, merken die Autoren an. Für weitere Verzerrungen könnten außerdem die große Vielfalt der Tests zur Bewertung der kognitiven Leistung und die unterschiedlichen Definitionen von Schichtarbeit in den Ausgangsstudien beitragen.

Vlasak T. et al: „Neurocognitive impairment in night and shift workers: a meta-analysis of observational studies“ published in Occupational and Environmental Medicine Online First on March, 8, 2022.DOI:10.1136/oemed-2021-107847

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