Bundestag berät allgemeine Impfpflicht

Schlagabtausch mit Pro und Contra

pr
Heute gab es im Bundestag in einer ersten Debatte zur allgemeinen Impfpflicht einen Schlagabtausch. Kommt sie für alle ab 18, ab 50 oder gar nicht? Die Meinungen sind geteilt, auch in den Fraktionen.

Die Abgeordneten debattierten ohne Fraktionszwang und mit viel Engagement. Erstmals wurde heute über die fünf verschiedenen vorliegenden Gesetzesentwürfe und Anträge zur Impfpflicht beraten. Mehrheiten zeichnen sich noch nicht ab.

  • Einparteiübergreifender Gesetzesentwurf für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahrenwird derzeit von einer Parlamentariergruppe rund um die die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, unterstützt. Baehrens sprach sich in der Debatte für eine hohe Grundimmunisierung aus. Bis zum Herbst müsse eine hohe Impfquote erreicht werden, um nicht noch einmal von einer weiteren Infektionswelle überrollt zu werden. Ihrer Meinung nach sei eine allgemeine Impfpflicht ein echter Weg zur Vorsorge. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck appellierte, man müsse alles tun, um Land und Menschen vor weiteren Freiheitseinschränkungen zu schützen. Die Menschen hätten Corona satt. „Bringen wir das Virus hinter uns und bringen wir uns zur Freiheit zurück”, sagte er zur Unterstützung des Gesetzesentwurfs. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte argumentierte – stellvertretend für die Meinung der Ministerpräsidenten der Bundesländer – für die allgemeine Impfpflicht: Die meisten Ungeimpften würden sich ohne diese Pflicht nicht impfen lassen. Das sei ein tiefes, grundlegendes, gesellschaftliches Problem. In einer flammenden ersten Rede vor dem Bundestag warb die Grünen-Abgeordnete Emilia Fester eindringlich: „Ich will meine Freiheit zurück.” Und nicht die Impfpflicht sei die Zumutung, sondern keine Impfpflicht sei die Zumutung.

  • Die derzeit zweitgrößte Unterstützergruppe (mit derzeit 197 Unterzeichnern) hatein Antrag für ein sogenanntes Impfvorsorgegesetz, den die CDU/CSU-Fraktion kurz vor der Debatte vorgelegt hat. Dabei könnte unter bestimmten Voraussetzungen ein gestaffelter Impfmechanismus greifen. „Die Impfpflicht ab 18 ist zum jetzigen Zeitpunkt tot”, erklärte der CDU-Abgeordnete, es gebe derzeit keine Mehrheit dazu. Tino Sorge, CDU/CSU-Fraktion, sprach von einem Kompromissvorschlag, dem sich noch weitere Abgeordnete anschließen könnten. Sinnvoll seien ein Impfregister und das Vorhalten einer weiteren Impfinfrastruktur.

  • Einzweiter Gesetzesentwurf sieht eine verpflichtende Impfberatung für Erwachsene und eine altersbezogene Impfpflicht ab 50vor. Er wird von einer Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann unterstützt. Der Gesetzesentwurf baue Brücken, sagte Ullmann in der Debatte. Es gelte, Impflücken bis zum Herbst zu schließen, damit wir „Weihnachten wieder so feiern können, wie wir es gewohnt sind.” Dr. Herbert Wollmann, SPD und Arzt für Innere Medizin, verwies darauf, dass COVID-19-Komplikationen altersabhängig auftreten. Wichtig sei, erst zu beraten und dann zu impfen.

  • Für die Erhöhung der Impfbereitschaft ohne eine Impfverpflichtungspricht sich in ihrem Antrag eine Gruppe um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki und den Linken-Abgeordneten Gregor Gysi aus. Manfred Höferlin, FDP, sprach in der Debatte für diesen Antrag und gegen eine „staatliche Bevormundung” aus und verwies darauf, dass Österreich die dort eingesetzte Impfpflicht inzwischen wieder ausgesetzt habe. Die Verantwortung, sich zu schützen, liege bei jedem selbst. Gysi wandte sich gegen eine Pflicht. Allein die Geldbußen seien schon praktisch kaum umsetzbar: „Ein Gesetz, das man nicht durchsetzen kann, darf man auch nicht beschließen.” Und Tabea Rößner, Grüne, mahnte zu mehr Sachlichkeit in der Diskussion. „Menschen wollen Entscheidungen selbst treffen.”

  • Gegen eine gesetzliche Impfpflichtspricht sich die AfD in einem Antrag aus. Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel fand in der Debatte scharfe Worte gegen die Pflicht: „Sie reiten ein totes Pferd. Bitte steigen Sie ab”, sagte sie. Es gebe keine verfassungsrechtlich zulässige Rechtfertigung dafür, die Impfpflicht verletze zentrale Grundrechte und mache Menschen zu „Befehlsempfängern” und „Objekte staatlicher Willkür.”

Die Gesetzesentwürfe und Anträge sind jetzt an die zuständigen Gremien überwiesen worden. Am kommenden Montag soll eine Experten-Anhörung stattfinden. Entscheiden soll der Bundestag dann ohne sonst übliche Fraktionsvorgaben voraussichtlich Anfang April.

Lauterbach warnt vor dem Herbst 2022

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach unterstützte den Gesetzesentwurf einer allgemeinen Impfpflicht ab 18. Mit Blick auf den kommenden Herbst warnte er, es könnten sich bis dahin neue Varianten des Corona-Virus weiterentwickeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Herbst keine Schwierigkeiten gebe, die Pandemie zu kämpfen, liege bei fast null Prozent. Man müsse sich vorbereiten.

 

Alle Initiativen noch einmal auf einen Blick

  • Gesetzesentwurf von Abgeordneten der Ampelfraktionen zur allgemeinen Corona-Impfpflicht ab 18 Jahren: Erweiterung der Impfkampagne, Beratungsmöglichkeiten, verpflichtender Impfnachweis ab dem 1. Oktober 2022

  • Gesetzesentwurf zur verpflichtenden Impfberatung und altersbezogene Impfpflicht ab 50 (Gruppe von Parlamentariern aus den Ampelfraktionen um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann): Verpflichtende Impfberatung für alle Erwachsene, altersbezogene Impfpflicht ab 50 unter Vorbehalt, Bundestag entscheidet, ob die epidemische Lage die Impfpflicht notwendig macht.

  • Antrag Impfvorsorgegesetz (der CDU/CSU-Fraktion): Es soll zunächst ein Impfregister aufgebaut werden. Zudem soll es einen „gestuften Impfmechanismus” geben, der vom Bundestag ausgelöst werden kann, wenn sich die Corona-Lage verschärft. Möglich wäre dann auch eine gestaffelte Impfpflicht für bestimmte Altersgruppen.

  • Antrag Erhöhung der Impfbereitschaft ohne Impfverpflichtung (Parlamentarier rund um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki und den Linken-Abgeordneten Gregor Gysi): Impfbereitschaft stärken, aber Nein zur Impfpflicht.

  • Antrag gegen gesetzliche Impfpflicht (AfD): Eigener Antrag der Partei mit Ablehnung der Pflicht.

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