Selbstzahlerleistungen sind weiter in der Kritik
Die Bekanntheit von IGeL ist unverändert groß und die Top 10 der am meisten verkauften Selbstzahlerleistungen beim Arzt sind im Vergleich zu 2020 nahezu gleichgeblieben. Das geht aus dem neuen IGeL-Report hervor, den der Medizinische Dienst Bund (MD) gestern veröffentlicht hat. An erster Stelle stehen Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung, gefolgt von verschiedenen Glaukom-Früherkennungsuntersuchungen, zusätzlichen Abstrichen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, dem PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs, extra Hautkrebsscreenings, zusätzlichen Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft sowie der Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung und Untersuchungen des Blutbilds.
Für den Report 2023 wurden knapp 6.000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren befragt. Die Bekanntheit von IGeL ist demnach unverändert groß: Fast 80 Prozent der Befragten gaben an, Selbstzahlerleistungen zu kennen. Nur gut jeder Vierte (28 Prozent) weiß, dass es verbindliche Regeln beim Verkauf von IGeL in der Praxis gibt. Dazu gehört, dass Patienten über den wahrscheinlichen Nutzen und mögliche Risiken oder Schäden durch die Leistung aufzuklären sind. Über den Nutzen wurden 78 Prozent informiert, über mögliche Schäden nur 56 Prozent. Fast jeder Fünfte (18 Prozent) gibt sogar an, dass seine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht wird.
55 Leistungen wurden bewertet
Der IGeL-Monitor hat insgesamt 55 IGeL bewertet – 53 Leistungen schließen demnach mit „tendenziell negativ“, „negativ“ oder „unklar“ ab. Für den Nutzen gebe es meistens keine ausreichende Evidenz, so das Fazit der Autoren. Keine dieser Leistungen sei mit „positiv“ bewertet worden, mit „tendenziell positiv“ schnitten lediglich zwei Selbstzahlerleistungen (Lichttherapie bei einer Winterdepression und Akupunktur zur Migräneprophylaxe) ab.
Dem Report zufolge wurde die Leistung Ultraschall zur Krebsfrüherkennung der Eierstöcke und der Gebärmutter am meisten in den Praxen verkauft. Die Untersuchung bewertet der IGeL-Monitor mit „negativ“ und „tendenziell negativ“. Denn dabei kann es dem Report zufolge häufig zu falsch-positiven Befunden und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen. Die Untersuchung habe als Früherkennung keinen Nutzen; sie könne aber definitiv schaden, weil sie Frauen verunsichere, und werde deshalb auch von den gynäkologischen Fachgesellschaften abgelehnt, führt der MD dazu aus.
Aber auch bei den anderen Selbstzahlerleistungen seien Zweifel angebracht. Das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors bewertet seit über zehn Jahren evidenzbasiert den Nutzen und Schaden von IGeL und bereitet die Informationen für die Versicherten laienverständlich auf. Das Team wertet bei seiner Analyse des Nutzen- und Schadenpotenzials nicht nur wissenschaftliche Studien aus, sondern gleicht seine Ergebnisse auch mit internationalen Leitlinien ab, hieß es bei der Vorstellung des Reports vor der Presse.
Immer mehr Jüngere kaufen IGeL
Wie aus dem Report hervorgeht, hat die Bekanntheit von IGeL gerade bei den jüngeren Patientinnen und Patienten deutlich zugenommen. 73 Prozent der 20- bis 39-Jährigen gaben an, IGeL zu kennen; 2020 waren es 63 Prozent. Jeder Zweite schätzt dabei die Leistungen als wichtig für den Erhalt der Gesundheit ein. Vor einigen Jahren wurden die Selbstzahlerleistungen vor allem an Versicherte ab 50 Jahren verkauft. Inzwischen gehen die IGeL immer häufiger auch an jüngere Menschen. Der Medizinische Dienst fordert deshalb, junge Menschen besser abzuholen und zielgruppengerecht zu informieren.
Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hat im Auftrag von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung einen Ratgeber für Patienten im Umgang mit IGeL herausgegeben. Die IGeL-Checkliste finden Sie hier: www.patienten-information.de/checklisten/igel-checkliste