Seminare, Sorgen und Samba
Auf dem Podium hatten hochkarätige EntscheidungsträgerInnen aus Verbänden des Gesundheitswesens Platz genommen. Zum Thema der Diskussion „Keine Lust auf Fachkräftemangel – wenn Praxen schließen müssen…“ und die Frage, was dann passiert, wurden die Gäste schnell deutlich.
Prof. Benz bezeichnete diese Perspektive als „eine Katastrophe für unsere Patientinnen und Patienten, weil die präventive Zukunft ohne Teammitarbeiterin gar nicht funktioniert. Die Prävention würde an dieser Stelle ganz schwer ins Schlingern und Straucheln kommen. Prävention braucht sehr viel persönliche Unterstützung und Ansprache. Das ist eine kompetente Leistung, die Weiterbildung braucht und diese Dinge fehlen dann.“
Prof. Heistermann machte klar: Die Versorgung wird schlechter. Prävention wird zurückgehen. Er sagte aber auch: „Seit Jahrzehnten liegen nicht nur die Probleme auf dem Tisch, sondern auch die Lösungen: Respekt und Team. Respekt vor den Fähigkeiten und Kompetenzen anderer Gesundheitsberufe, auch wenn man sie noch nicht kennt. Und Team: Dass man erkennt, dass eine Praxis auch in einer anderen Besetzung als arztzentriert arbeiten kann, vielleicht mit digitaler Anbindung. Man kann da sehr flexibel sein, man muss sich aber in Bewegung setzen.“
„Tiermedizin steht vor dem Notfallkollaps“
Dr. Remien berichtete aus seiner Branche: „In der Tiermedizin ist es der Anfang vom Notdienstkollaps.“ Die durchschnittliche Tierarzt-TFA-Quote liege bei 0,8 – in guten Einheiten bei 1,8. „Wir sind alle Privatbetriebe. Sie können anhand der Verteilung sehen, dass der Tierarzt mehr verdient, wenn er Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) als Unterstützung hat.“ Da mehr als die Hälfte der Auszubildenden einen Abiturabschluss habe und die Ausbildung zur Überbrückung bis zum Studium nutze, sei die Absprungquote sehr groß. Hier sieht er eine Art PA als Zwischenebene. Das sei keine Konkurrenz, sondern mache das Leben bunter – auch für Medizinische Fachangestellte (MFA), TFA und ZFA.
Dass der Fachkräftemangel nur zeitverzögert bei Fachärzten ankommt, bemerkte Dr. Deindl. Überall, wo Praxen wegbrächen, ändere sich auch das gesamte gesellschaftliche Leben. „Da zieht keine junge Familie mehr hin“. Zudem sprach er das Thema Patientensicherheit an: „Man muss gut ausgebildetes Personal haben. Patientensicherheit ist dort, wo das Team gut funktioniert.“
Podium einig: Weiterbildungskosten müssen übernommen werden
Anschließend beschäftigte sich das Podium mit der Frage, warum viele MFA, TFA und ZFA ihre Weiterbildung selbst bezahlen müssen. Hier hatte der Hausärzteverband ein Positivbeispiel: In Baden-Württemberg werden 300 akademisierte Ausbildungsplätze zur VERAH von der AOK unterstützt. Mit Unverständnis reagierte dagegen Prof. Benz auf die Frage: Man müsse als Chef oder Chefin blöd sein, wenn man die Fortbildung nicht finanziere. Eine Praxis, die wirklich Prävention mache und die den Teamgedanken pflege, könne nur so ticken. Alles andere sei ein Ort, wo man nicht länger weiterarbeiten sollte.
Ganz zufrieden mit der Arbeit der Innungen vor Ort zeigte sich Dominik Kruchen: „Bei der Fortbildungssituation haben wir die tradierte Meisterausbildung. Da ist auch Mitarbeiterführung dabei.“ Angesprochen auf die Abwanderung von Kolleginnen und Kollegen, appellierten Prof. Benz und Dr. Beier, Fortbildungen auch im „mittleren“ Alter zu nutzen. Und warum ergreifen die Arbeitgeber nicht selbst die Initiative und bieten den MitarbeiterInnen eine Fortbildung an? Die Idee von König, ein Seminar unter dem Titel „Gute Bezahlung lohnt sich – mutig das Gespräch mit der Mitarbeiterin suchen“ kam zumindest im Plenum gut an.
„Teilzeit in Rente muss attraktiver werden“
Der letzte Diskussionspunkt – was kann die Politik tun – schloss sich damit nahtlos an die vorherige Debatte an: Als Teil der Daseinsfürsorge sollte sich der Staat an den Ausbildungskosten in Gesundheitsberufen beteiligen und Arbeit in Teilzeit in der Rente attraktiver machen. Mit Blick auf investorenbetriebene MVZ forderte Prof. Benz den Respekt vor gewachsenen Strukturen. Ebenso sollte die Politik aufhören, durch neue Parallelstrukturen die Fachkräfteprobleme zu potenzieren. Im ambulanten Bereich seien qualifikationsgesteuerte Strukturpauschalen notwendig, auch um Anreize für Fortbildungen zu schaffen. Und: Man sollte endlich Gesundheitsleistungen als etwas Produktives sehen und damit die Wertschätzung mit der Wertschöpfung verbinden.
Begonnen hatte der 27. VmF-Bundeskongress bereits am Freitagmorgen. Die „Warm-Up“-Seminare richteten sich vor allem an Auszubildende und WiedereinsteigerInnen. MFA, TFA und ZFA konnten ohne Druck die Basics in der Assistenz von Diagnostik, Therapie, delegierbaren Leistungen und Abrechnung trainieren und in praktischen Übungen ihre Fertigkeiten vertiefen.