Sind die Gesundheitsämter gut oder schlecht aufgestellt?
Aktuell berichten die Gesundheitsämter in Berlin und Brandenburg über Personalprobleme und ihre Mangelbesetzung in den Ämtern: Wie das Deutsche Ärzteblatt (DÄ) meldet, forderte der Landesverband Brandenburg/Berlin der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die gesetzlichen Aufgaben der Ämter in Beziehung zur Personalausstattung zu setzen. Das Blatt verweist auf eine Evaluation im Land Berlin in Form eines „Mustergesundheitsamts“.
35 Prozent Ärzte fehlen in den Berliner Gesundheitsämtern
Nach dem Muster benötigt Berlin 441,21 Vollzeitäquivalente an Ärzten in den Gesundheitsämtern. Vorhanden seien jedoch nur 365,93, von denen allenfalls 287,74 besetzt sind. In Berlin fehlten also 35 Prozent der Ärzte gemäß Mustergesundheitsamt. Der Landesverband verweist laut DÄ überdies auf fehlende Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin, Sozialpsychiater oder Kinder- und Jugendpsychiater in Brandenburg.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass bereits ein erster (noch nicht öffentlicher) Entwurf zum Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst vorliegt. Wie die FAZ berichtete, sollen die Gesundheitsämter in den kommenden fünf Jahren vier Milliarden Euro erhalten, um Personal aufzubauen und ihre Servicequalität zu verbessern.
Spitzenverbände sehen die Ämter dagegen gut aufgestellt
Die kommunalen Spitzenverbände sehen die Gesundheitsämter in der Pandemie derweil gut aufgestellt und haben zur Untermauerung ihrer Argumente eine Umfrage präsentiert. Bundesweit seien demnach in den Flächenländern über 3.300 Planstellen für Amtsärzte und damit knapp 10 Planstellen pro Gesundheitsamt vorgehalten worden. Bei den Medizinischen Fachangestellten, Hygienekontrolleuren und weiterem medizinischen wie nicht-medizinischen Personal würden darüber hinaus über 11.600 Stellen bereitgestellt, so die Verbände.
„Es besteht keinerlei Grund zu Alarmismus!“ schlussfolgert der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager. Im Durchschnitt sei nur etwas mehr als eine ärztliche Planstelle pro Gesundheitsamt aktuell nicht besetzt. Das oftmals transportierte negative Bild von Personalgewinnungsproblemen und Unterbesetzung bestätige sich damit gerade nicht. Beim nicht-ärztlichen Personal seien zudem weniger als sechs Prozent der Planstellen nicht besetzt. „Wir sehen, dass die Gesundheitsämter derzeit in besonderem Maße beansprucht werden, aber nicht überfordert sind“, so Sager weiter.
Für den Marburger Bund (MB) und den BVÖGD hingegen betreiben die Kommunen zur Personallage im ÖGD Schönfärberei. Die in ihrer Umfrage ermittelten Daten für den kommunalen ÖGD – 2.900 besetzte ärztliche Vollzeitstellen – seien höchst fragwürdig, kritisieren sie. Das zeige schon ein Vergleich mit den Zahlen der Bundesärztekammer: Demnach arbeiteten zum Stichtag 30. Dezember 2019 bundesweit 2.561 Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern der Kommunen und der Länder, darunter auch Beamten.
Der kommunale Öffentliche Gesundheitsdienst sei seit Jahren personell ausgezehrt. Die Nachbesetzung gestalte sich immer schwieriger. Die Vertreter der Kommunen wollten sich dieser Realität jedoch nicht stellen, monieren beide Verbände.
Die tarifliche Ungleichbehandlung ist eines der Hauptprobleme
Die Spitzen von MB und BVÖGD hatten die Kritik an der Umfrage in einem gemeinsamen Schreiben an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Gesundheitsminister der Länder und Vertreter der Kommunen untermauert: „Aus unserer Sicht waren die Fragen zur Personalsituation zu undifferenziert und deshalb auch ungeeignet, valide Aussagen zur tatsächlichen Personallage und zum zukünftigen Personalbedarf im ÖGD zu treffen.“, heißt es dort. Und weiter: „Eines der Grundprobleme - die tarifliche Ungleichbehandlung der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst – wurde in der Umfrage komplett negiert.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder hatten die Gesundheitsministerkonferenz beauftragt, bis zum 30. August 2020 einen Entwurf für den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst vorzulegen. Presseberichten zufolge soll es eine große Konferenz mit allen Gesundheitsämtern Anfang September geben. Als (nicht bestätigter) Termin ist der 8. September im Gespräch.