So ist das nicht in Ordnung!
Es ist das gute Recht der Firma Dr. Kurt Wolff, sich mit ihrer Botschaft zu der Hydroxylapatit-haltigen und Fluorid-freien Zahnpasta „Karex“ in einem offenen Brief direkt an alle Zahnärztinnen und Zahnärzte und damit an die Fachzielgruppe zu wenden. Es ist auch ihr gutes Recht, deutlich zu vermitteln, dass sie von ihrem Produkt begeistert ist. Und dass sie sich von ihrem Produkt für die Zahnpflege sehr viel verspricht.
Schwierig wird es allerdings, wenn die den Kariesschutz versprechende Zahnpasta diesen Nachweis bis dato schuldig geblieben ist. Selbst wenn wir die heute üblichen Forderungen nach Evidenz einmal außen vorlassen, so bleibt ein schaler Beigeschmack, denn die viel beworbene wissenschaftliche Studie ist bis heute noch nicht einmal veröffentlicht worden. Eine stete Bezugnahme auf Informationshäppchen aus der Studie ermöglicht keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen oder doch nur vermeintlichen(?) Ergebnissen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der weltweit gut dokumentierten Ergebnisse zur Wirksamkeit von Fluoriden bei der Kariesprävention.
Es geht aus meiner Sicht nicht an, dass auf der Basis von Pressemeldungen und Zitaten aus sogenannten Fachzeitschriften, die sich wiederum auf eben jene Pressemeldungen beziehen, das Imago von Wissenschaftlichkeit erzeugt wird.
Nur ein Beispiel: Sollte es in der Tat so sein, wie in einigen dieser Pressemeldungen verlautbart wurde, dass es bei Anwendern von „Karex“ zu Remineralisationserscheinungen gekommen ist, dann wäre das der „Kracher“ schlechthin. Denn dann sprächen wir von einer „Kariestherapie“ … Doch wie gesagt, die Studie ist bis dato nicht publiziert.
Definitiv falsch ist jedoch die Aussage der Firma Dr. Kurt Wolff, „dass Ihre Patientinnen und Patienten bei der Zahnpasta endlich die Wahl haben, ob sie sich mit oder ohne Fluorid die Zähne putzen wollen.“ Nun denn, das konnten die Patienten bereits in den letzten Jahren, um nicht zu sagen in den letzten Jahrzehnten. Über 30 fluoridfreie Zahnpasten – von preiswert bis sehr teuer – stehen dafür in Supermärkten, Drogerien und Apotheken zur Auswahl. Und da ist ein altbekanntes und bewährtes Stomaticum noch nicht einmal mitgezählt.
Ich möchte an dieser Stelle nicht über gute oder schlechte Kommunikation räsonieren – aber fluoridhaltiges Trinkwasser mit fluoridhaltigen Zahnpasten in einen Bezug zu setzen, ist schon gewagt. Ich jedenfalls nehme meine Zahnpasta nicht ein, sondern gebe sie auf die Zahnbürste und putze mir damit die Zähne. Aber wird ein Patient die Aussagen aus dem offenen Brief an die Zahnärzteschaft, der auch als Anzeige in vielen Publikumsmedien veröffentlicht wurde, einordnen können? Ohne entsprechendes Wissen bestimmt anders als jede Zahnärztin oder Zahnarzt.
Und das, genau das ist nicht in Ordnung!
Dr. Uwe Axel RichterChefredakteur