US-Aligner-Anbieter

So macht SmileDirectClub seine Kritiker mundtot

mg
Gesellschaft
Mit 750.000 zufriedene Kunden brüstet sich der US-Aligner-Anbieter "SmileDirectClub". Reklamationen? Fehlanzeige. Das könnte an den Verschwiegenheitserklärungen liegen, die Patienten vor einer Erstattung unterzeichnen müssen.

In diesem Frühjahr will das börsennotierte US-Unternehmen SmileDirectClub auch auf dem deutschen Markt Aligner-Therapien anbieten, deren Geschäftsanbahnung und Verlaufskontrolle übers Internet stattfinden.

Wie gut dieser Behandlungsstandard ist und ob er überhaupt juristisch zulässig ist, bleibt vorerst strittig – das zeigen jüngste Auseinandersetzungen von Kammern und deutschen Start-ups, welche das Geschäftsmodell des SmileDirectClub kopierten und modifiziert 2017 in Deutschland einführten.

Wer wissen will, wie SmileDirectClub in Deutschland mit Kritik umgehen wird, blickt am besten in die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Hongkong, Irland und Großbritannien. Ein Bericht der New York Times bestätigt, dass der US-Hersteller unliebsame Meinungen juristisch zu unterbinden versucht.

Verschwiegenheitserklärungen sollen Kritik unterbinden

So schildert die New York Times, dass unzufriedene Kunden nur dann ihr Geld – im Durchschnitt kostet die Behandlung 1.850 US-Dollar – zurückerstattet bekommen, wenn sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Die Journalisten sprachen demnach mit sieben Kunden, wovon vier nach Abbruch der Behandlung zahnmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen mussten.

Laut Bericht untersagte die Vereinbarung es den Kunden jedoch nicht nur, irgendjemandem von der Rückerstattung zu erzählen, sondern sie verpflichteten sich auch, negative Kommentare und Bewertungen in sozialen Medien zu löschen. Zwei der sieben Gesprächspartner der Times haben diese Vereinbarung unterzeichnet. 

Mit juristischen Mitteln gegen Mitbewerber, schlechte Presse und kritische Zahnärzteorganisationen vorzugehen, ist offenbar fester Bestandteil der Geschäftspraxis des SmileDirectClub. So hatte das Unternehmen eine Reihe von Auseinandersetzungen mit Align Technology (siehe oben) sowie einigen regionalen US-Zahnärztekammern.

In 36 US-Bundesstaaten reichten Tochtergesellschaften der American Dental Association of Orthodontists (AAO)

Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA)

"Gefährdung der Öffentlichkeit" sowie "falscher und irreführender Behauptungen sowie unfairer und irreführender Praktiken".

Beim Better Business Bureau, einer gemeinnützigen US-Verbraucherschutz-Organisation, gingen seit 2014 mehr als 1.700 Beschwerden über SmileDirectClub ein. Zum Vergleich: Align Technology hat in mehr als zwei Jahrzehnten vier Beschwerden erhalten.

Der Hersteller wähnt eine Schmutzkampagne

Susan Greenspon Rammelt, Chefsyndikus von SmileDirectClub, behauptet dagegen laut Times in Interviews, dass die überwiegende Mehrheit der Nutzer mit dem Unternehmen zufrieden sei. Bei mehr als 100.000 Bewertungen auf der eigenen Website ergebe sich eine durchschnittliche Kundenbewertung von „4,9 von 5“. Weniger als 5 Prozent der Kunden hätten eine Rückerstattung erhalten. Die Erfolgsrate der Aligner wird allerdings nicht veröffentlicht.

Nach dem Selbstverständnis des Unternehmens sind die unternommenen rechtlichen Schritte notwendig, um das Unternehmen zu schützen. "Wenn wir glauben, dass es eine organisierte Kampagne gibt, die unseren Ruf bei Verbrauchern, Zahnärzten und / oder Investoren schädigt, werden wir uns und unsere Mission verteidigen", wird Greenspon Rammelt zitiert.

Fünf Standorte in Deutschland geplant

Fünf Standorte in Deutschland geplant

Wie die Times weiter berichtet, reichten im September 2019 einige Kunden eine Sammelklage gegen das Unternehmen ein, in der sie falsche Werbung und Verstöße gegen die Vorschriften der FDA anmahnten. Mit Ausnahme von zwei Klägern zogen sich jedoch alle anderen später aus der Klage zurück, da sie aufgrund der von ihnen unterzeichneten Erklärungen zur Beilegung von Streitigkeiten im Schiedsverfahren verpflichtet waren.

Bei zwei Drittel läuft die Finanzierung über SmileDirectClub

Aus Sicht von Greenspon Rammelt sind das alles Randerscheinungen des großen wirtschaftlichen Erfolgs. Tatsache sei, dass mehr als 750.000 Kunden wirklich glücklich sind. Laut Times haben rund zwei Drittel davon für die Behandlungskosten einen Finanzierungsvertrag bei dem Unternehmen abgeschlossen – mit einem jährlichen Zinssatz von 17 Prozent.

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