So sieht die bundesweit einheitliche Notbremse aus
In einer Sondersitzung hat der Bundesrat heute das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz gebilligt, das vom Bundestag gestern verabschiedet worden war. Es kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet werden.
250 Abgeordnete stimmten dagegen, 64 enthielten sich
In namentlicher Abstimmung stimmten gestern im Bundestag 342 Abgeordnete für den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung, 250 lehnten ihn ab, 64 Abgeordnete enthielten sich. Der Abstimmung voran ging ein heftiger parlamentarischer Schlagabtausch.
Mit der Annahme des Gesetzes (Kern ist die Verankerung der Notbremse in der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes § 28a) werden dem Bund bei der Bekämpfung der Pandemie zusätzliche Handlungsmöglichkeiten gegeben.
Das Gesetz gilt bis Ende Juni 2021
Ziel ist „eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes zu gewährleisten“. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, greifen künftig – ohne dass die Länder noch Verordnungen beschließen müssen - bundeseinheitliche Regelungen.
Soweit Landesvorschriften bereits schärfere Maßnahmen vorsehen, bleiben diese bestehen. Eine Befristung des Gesetzes ist bis Ende Juni 2021 vorgesehen.
Die wichtigsten Regelungen
Die wichtigsten Regelungen
Private Zusammenkünfte werden auf die Angehörigen eines Hausstandes und maximal eine weitere Person begrenzt. Ausgenommen sind Kinder unter 14 Jahren.
Zwischen 22 Uhr und fünf Uhr des Folgetages gelten Ausgangsbeschränkungen. Der Koalitionsentwurf hatte ursprünglich eine Beschränkung ab 21 Uhr vorgesehen, der Bundestag verschob den Beginn auf 22 Uhr.
Ausnahmen bleiben gestattet, so etwa zur Berufsausübung, bei Notfällen oder zur Betreuung bedürftiger Personen oder Tieren. Auch für Spaziergänger oder Jogger zwischen 22 und 24 Uhr sind Ausnahmen gestattet, wenn sie allein unterwegs sind.
Untersagt wird ab einer Inzidenz von 100 auch die Öffnung von Freizeiteinrichtungen, Museen, Kinos, Theatern und ähnlichen Einrichtungen sowie von Gaststätten. Schließen sollen auch die meisten Geschäfte – außer etwa Lebensmittel, Drogerien, Apotheken und weitere.
Die Regelungen treten außer Kraft, wenn der Inzidenzwert von 100 an fünf aufeinander folgenden Werktagen unterschritten wird.
Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen müssen ab einem Inzidenzwert von 165 den Präsenzunterricht einstellen.
Beschäftigte müssen im Homeoffice arbeiten, wenn ihnen dies möglich ist.
In der Schlussberatung warben Vertreter der Bundesregierung und der Fraktionen von CDU/CSU und SPD um Zustimmung zu der Novelle. Um die dritte Infektionswelle zu brechen, seien schnell einheitliche Auflagen notwendig. Das Gesetz respektiere den Föderalismus, denn der Bund steige erst bei Inzidenzen ab 100 mit bundeseinheitlichen Regelungen ein, vorher seien die Länder zuständig, hieß es von Seiten der CDU. Von Seiten der SPD hieß es, dass der Kampf gegen die Pandemie noch länger dauern könnte, mit allen wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Es sei daher richtig, „mit enormen fiskalischen Mitteln“ Leben zu retten.
Die FDP hat verfassungsrechtliche Bedenken
Von der Opposition kam heftige Kritik. Die FDP-Fraktion begründete ihre Ablehnung mit verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar begrüßte sie die bundeseinheitlichen Regelungen im Grundsatz, sah aber in dem Entwurf erhebliche handwerkliche Mängel. Ein so schwerwiegender Grundrechtseingriff wie Ausgangssperren sei nicht gerechtfertigt. Die Inzidenz als alleiniger Maßstab sei ungeeignet. Die Partei kündigte Verfassungsbeschwerde an.
Nach Ansicht der Fraktion der Linken wird die Wirtschaft bei den Auflagen zu sehr verschont, während die Hauptlast von den Bürgern zu tragen sei. Nach Auffassung der Grünen hat die Bundesregierung zu spät und zu zögerlich gehandelt. Das Fahren auf Sicht sei verantwortungslos, es lasse viele Menschen an der Handlungsfähigkeit des Staates zweifeln.
Die AfD findet die Maßnahmen undemokratisch und untauglich
Zwar habe es bei den Beratungen noch Verbesserungen gegeben, insgesamt reiche das aber nicht aus, um eine Trendumkehr zu schaffen. Der Gesetzentwurf sei handwerklich schlecht gemacht und in sich inkonsistent. Die AfD-Fraktion hingegen wertete die Novelle als Beleg für undemokratische und untaugliche Mittel im Kampf gegen die Pandemie.
Mit dem „Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ werden das Infektionsschutzgesetz sowie das Dritte und das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III und SGB V) geändert. In zweiter Lesung hatten CDU/CSU und SPD ihrem Gesetzentwurf in geänderter Fassung zugestimmt, während AfD, FDP und Linksfraktion ihn ablehnten. Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Während der Debatte im Bundestag demonstrierten mehrere Tausend Menschen in der Nähe des Reichstags gegen das Gesetz. Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften im Einsatz.