Studie der Universität Würzburg

So werden Herpesviren reaktiviert

LL
Gesellschaft
Forschende entdeckten einen bis dato unbekannten zellulären Mechanismus der Herpesviren, der nicht nur für deren Vermehrung bedeutend ist, sondern auch ihre Reaktivierung aus dem Ruhezustand auslöst. Diese Erkenntnis könnte für therapeutische Ansätze wichtig sein.

Ein Forschungsteam am Lehrstuhl für Virologie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg konnte in einer Studie zeigen, wie schlafende Herpesviren reaktiviert werden. Sie entdeckten einen bislang unbekannten mikroRNA-vermittelten zellulären Mechanismus für diese Aktivierung.

Herpesviren hätten im Lauf der Evolution gelernt, kleine RNA-Moleküle, sogenannte Mikro-RNAs, einzusetzen, um ihre Wirtszellen zu ihrem Vorteil umzuprogrammieren, erklären die Forschenden. Sie konnten nun erstmals zeigen, dass eine virale MikroRNA als Masterregulator fungiert, um die Reaktivierung des Virus herbeizuführen. Im Journal Nature stellte das Team den bislang unbekannten zellulären Mechanismus vor, mit dem sich das humane Herpesvirus 6 (HHV-6) aus dem Schlaf holt.

Die Frage, wie die Reaktivierung passiert, ist zentral in der Virenforschung

Mit HHV-6 sind mehr als 90 Prozent aller Menschen infiziert, oft ohne etwas davon zu merken. Probleme bereitet das Virus vermutlich erst dann, wenn es wiederholt aufwacht.

"Wie Herpesviren aus einem Ruhezustand reaktiviert werden, ist die zentrale Frage in der Herpesvirusforschung", sagt Studienleiter  Lars Dölken von der JMU. "Wenn wir das verstehen, wissen wir, wie wir therapeutisch eingreifen können." Ein bisher unbekannter Schlüssel dazu ist eine virale microRNA namens miR-aU14. Sie ist der zentrale Schalter, der die Reaktivierung von HHV-6 in Gang setzt.

Die regulatorische miR-aU14 stammt vom Virus selbst. Sobald sie exprimiert wird, greift sie in den Stoffwechsel der menschlichen Mikro-RNAs ein. Dabei stört sie selektiv die Reifung gleich mehrerer Mikro-RNAs. In der Folge werden diese wichtigen zellulären Mikro-RNAs nicht mehr gebildet, und das wiederum beeinflusst einen zellulären Signalweg. Über diesen Weg induziert die virale miR-aU14 die Zerstückelung der Mitochondrien. Diese Zellstrukturen sind von zentraler Bedeutung für die Energieproduktion, aber auch für Signalübertragungen bei der Abwehr von Viren.

Virale Mikro-RNA unterbindet die Immunabwehr

Die virale miR-aU14 stört so die Produktion von Typ-I-Interferonen als Botenstoffe, mit dem die Zelle dem Immunsystem die Anwesenheit von Viren meldet. Weil die Interferone fehlen, kann das Herpesvirus unbehelligt vom Ruhe- in den Aktivitätszustand wechseln.

Interessanterweise konnte die Würzburger Forschungsgruppe auch zeigen, dass die virale Mikro-RNA nicht nur für die Virusvermehrung essenziell ist, sondern direkt die Reaktivierung des Virus aus dem Ruhezustand auslöst. Das Forschungsteam will jetzt den genauen Mechanismus verstehen, über den die virale Mikro-RNA die Reaktivierung des Virus in Gang bringt. Das könnte von zentraler Bedeutung für den Kampf gegen Herpesviren sein. Hennig, T., Prusty, A.B., Kaufer, B.B. et al. Selective inhibition of miRNA processing by a herpesvirus-encoded miRNA. Nature 605, 539–544 (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-04667-4

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