Straumann

Sofortimplantation: Ist die Trendwende in Sicht?

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Implantologie
Noch bevorzugen Zahnärzte die klassische Spät- und Frühimplantation. Doch über kurz oder lang wird sich das ändern. Bereits in fünf Jahren werden 20 Prozent der Implantate sofort gesetzt, sind sich Experten sicher. Die Trendwende scheint zu beginnen. Doch in Deutschland ist man noch äußerst vorsichtig. Zu Recht?

Warum setzt sich die Sofortimplantation nach wie vor eher schleppend durch? Selbst versierte Implantologen zögern häufig.

Al-Nawas:

Gerade technisch versierte Implantologen zögern häufig. Denn sie kennen die Schwierigkeiten. Die Sofortimplantation ist kaum vorhersagbar. Viele Parameter lassen sich schlecht fassen. So bauen sich Teile der Alveole nach der Extraktion um, die zu extrahierenden Zähne sind häufig infiziert. Es kommt ganz wesentlich auf die Fallselektion an. Doch das erfordert sehr viel Erfahrung.

Stricker:

Die Alveole verändert sich auch nach der Insertion des Implantats noch. Das haben unter anderem Studien von Botticelli et al. und Araujo et al. gezeigt. Da fragen wir uns natürlich, wann ist das abgeschlossen? Und das macht unsicher für ein langfristiges Outcome. Ein Blick in die Literatur hilft kaum. Die meisten klinischen Publikationen sind noch jung, nicht älter als drei Jahre. Doch genau dann fangen die Probleme erst an. Für mich ist das oberste Gebot die Nachhaltigkeit. Die haben wir sicher bei verzögerten Implantationen: Die Rahmenbedingungen sind bekannt, die Vorhersagbarkeit ist gegeben, Studien belegen den Langzeiterfolg.

Schnutenhaus:

Spätestens mit den neuen, speziell für die Sofortimplantation konzipierten Implantatsystemen wird sich das aber ändern. Allein die hohe Primärstabilität schafft enorme Sicherheit. Ich implantiere seit mehr als 20 Jahren, und ich habe anfangs genau aus den von den Kollegen genannten Gründen einen großen Bogen um die Sofortimplantation gemacht. Von Kollegenansichten und der damaligen Lehrmeinung geprägt, hielt ich die Risiken – vor allem mit Blick auf das ästhetische Outcome – für deutlich zu groß. Wo landen der Knochen und das Weichgewebe tatsächlich? Die Frage hat uns damals abgeschreckt.

Sind wir heute weiter?

Schnutenhaus:

Definitiv! Schließlich beschäftigen wir uns seit Jahren intensiv mit dem Thema Knochenerhalt. Ich bin in Sachen Sofortimplantation deutlich mutiger, weil ich aufgrund intensiver Literaturrecherche und der Kenntnis der Indikation und ihrer biologischen Grenzen weiß, welche Vorteile die Sofortimplantation bringt. Dazu beigetragen haben, wie gesagt, die neuen, für Sofortversorgungsprotokolle konzipierten Implantatsysteme wie das BLX …

… das Sofortversorgungsprotokolle mit vorhersagbaren Ergebnissen unabhängig von der Knochenklasse ermöglichen soll. Was ist das Besondere?

Al-Nawas:

Die neu designte Innenankopplung, das ist wirklich spannend. Dadurch reduzieren sich die Implantatdurchmesser.

Bitte nennen Sie ein Beispiel.

Al-Nawas:

Mit dem 3,75-mm-Durchmesser-BLX-Implantat lassen sich die gleichen Regionen versorgen wie dem größeren 4,1er-Bone-Level.

Also ein Durchmesser für alle klinischen Indikationen?

Al-Nawas:

Korrekt, das ermöglicht, mehr Fälle zu versorgen, ohne augmentieren zu müssen. Mein präferierter Durchmesser beim BLX-Implantat sind 3,75 mm.

Schnutenhaus:

Zudem hat das BLX-Implantat ein enorm differenziertes Makrodesign, ein wirklich aggressives Gewinde, auch im Vergleich zu anderen Herstellern. Das Implantat ist natürlich konisch, auch die Innenverbindung.

Stricker:

Und am Implantathals entsteht aufgrund des Designs kein Druck. Das halte ich für sehr entscheidend. Denn genau das hat in der Vergangenheit zu Knocheneinbrüchen geführt. Die Primärstabiliät kommt beim BLX nicht aus dem Implantathals, sondern aus den Windungen der Gewindeflanken.

BLX versteht sich als All-in-one-Implantatsystem, das für die Sofortversorgung und in weichem Knochen, aber auch in konventionellen chirurgischen Protokollen in ausgeheilten Alveolen mit hartem Knochen eingesetzt werden kann. Nutzen Sie das Implantat entsprechend?

Al-Nawas:

Ja, für mich gehört das BLX in die Gruppe der Implantate mit sehr hoher Primärstabilität und schneidendem Gewinde, die erfahrungsgemäß in alltäg‧lichen Situationen funktionieren, ohne dass wir mehrfach ein- und ausschrauben müssen. Auch im relativ harten Knochen erzielen wir mit dem entsprechenden Bohrprotokoll gute Ergebnisse.

Schnutenhaus:

Im weichen Oberkieferknochen halte ich das BLX für eine ausgesprochen spannende Alternative. Gerade für ältere Patienten schafft die höhere Primärstabilität ein Plus an Sicherheit. Und mit Blick auf die Sofortversorgung, ist die hohe Primärstabilität natürlich auch sehr beruhigend.

Stricker:

Ich denke, BLX ist mit dieser enormen Primärstabilität ganz klar konzipiert für die Sofortimplantation plus Sofortbelastung, funktioniert aber auch in konventionellen Indikationen, etwa in der Kronenbrückeprothetik im konventionell ausgeheilten Knochen. Das haben wir auch schon in Zusammenarbeit mit den Prothetikern durchgeführt – mit gutem Erfolg.

Apropos Sofortversorgung: Ist eine Sofortimplantation ohne Sofortbelastung überhaupt zielführend?

Al-Nawas:

Eher nicht, man entscheidet sich nicht für die Sofortimplantation, um ein bisschen Zeit zu gewinnen, sondern um das Weichgewebe zu stützen, um die schöne Weichgewebsarchitektur nicht zu verlieren. Sprich: Zur Sofortimplantation gehört auch meist eine Sofortversorgung …

… die eine hohe Primärstabilität verlangt. Als Minimum werden seit Jahren 35 Ncm genannt. Woher stammt eigentlich die Angabe?

Al-Nawas:

Aus alten Studien zur Sofortbelastung, man hat die 35 Ncm einfach als Einschlusskriterium festgelegt. Das ist aber nie wirklich untersucht worden.

Gibt es denn einen klaren Grenzwert, der nicht unterschritten werden darf für die Sofortbelastung?

Al-Nawas:

Das orientiert sich an der Art und Weise, wie das Drehmoment erreicht wird: durch ein modernes, schneidendes Implantat wie das BLX oder ein unterdimensioniertes Aufbereiten. Je weicher der Knochen, desto besser verträgt er das unterdimensionierte Aufbereiten. Das gilt aber nicht für den kortikalen Anteil. Da kann es schnell Knocheneinbrüche geben. Kurz: Ein Grenzwert für die Primärstabilität sagt wenig darüber aus, wie ich mit dem Knochen umgehe, um diese hohe Primärstabilität zu erzielen.

Schnutenhaus:

Eine große Rolle spielt natürlich das richtige Implantatsystem. Reicht die Schraubenkonfiguration nicht aus, kann eine Primärstabilität von 50 Ncm zu einer enormen Knochenbelastung führen. Das Schraubendesign entscheidet letztlich, mit welchem Drehmoment eingebracht werden darf. Beim BLX werden höhere Drehmomente erreicht als üblich.

Wie messen Sie das Eindrehmoment? Mit Ostell?

Al-Nawas:

Ostell misst nur eine mechanische Verbindung zwischen Implantat und Knochen, ein Grenzwert lässt sich da nicht entwickeln. Ostell-Werte beschreiben den Verlauf der Knocheneinheilung und variieren wie Drehmomentwerte von Implantat zu Implantat. Die Werte lassen sich auch untereinander nicht vergleichen.

Schnutenhaus:

Ostell dient vor allem der Dokumentation; das Gefühl, wie das Implantat eingebracht ist, halte ich aber für maßgeblicher. Ich messe deshalb über die Ratsche, mache die letzten Drehungen also manuell.

Gehen Sie bei der Sofortversorgung grundsätzlich schablonengeführt vor?

Al-Nawas:

Eher bei kompletten Oberkieferversorgungen als bei Einzelzahnlücken.

Schnutenhaus:

Ich setze in meiner Praxis 90 Prozent aller Implantate schablonengeführt. Im ästhetischen Bereich halte ich das auch für zwingend notwendig, gerade bei der Sofortimplantationen. Denn nach der Extraktion hilft mir das enorm, die erste Bohrung zu setzen, und verhindert ein Abrutschen im alten Alveolenfach.

Ist die Gefahr so groß?

Schnutenhaus:

Aus meiner Sicht schon. Man muss durch die Kortikalis bohren, dann leicht nach palatinal gehen und dort die richtige Stelle stabil finden. Da hilft die schablonengeführte Implantation sehr.

Gibt es dieses Navigationstool für die BLX-Linie?

Schnutenhaus:

Noch nicht, aber es wird kommen. Wir behelfen uns mit der CoDiagnostiX-Software, stellen also eine Schablone her, um die Pilotbohrung geführt managen zu können. Es könnte aber noch besser funktionieren, denn wir würden gerne bis zum Schluss voll schablonengeführt vorgehen.

Kommen wir zur Lernkurve: Wie viele Implantate pro Jahr sollte ein Zahnarzt gesetzt haben, bevor er sich an die Sofortbehandlungen wagt?

Al-Nawas:

Das kommt ganz darauf an. Im Prämolarenbereich ist die Sofortimplantation recht gut vorhersagbar, anders im direkten Frontzahnbereich. Die Fallselektion ist das A und O. Und dafür braucht man eben eine gewisse Erfahrung; der eine braucht 20, der nächste 200 Fälle und der dritte lernt es nie.

Was sagen Sie als „Praktiker“, Herr Dr. Schnutenhaus?

Schnutenhaus:

In heiklen Situationen, also im Frontzahnbereich, gingen bestimmt acht Jahre ins Land, bevor ich mich darauf eingelassen habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich sicher mehr als 1000 Implantate gesetzt. Heute bieten wir nach der entsprechenden Fallselektion die Sofortversorgung an.

Sie auch, Herr Dr. Stricker?

Stricker:

Eher selten, bei zirka 1700 Implantationen pro Jahr setzen wir 50 Implantate sofort.

Das ist nicht viel …

Stricker:

Das stimmt, wir bevorzugen einfach die Sicherheit und Nachhaltigkeit der verzögerten Implantation.

Stichwort prothetischer Workflow, da sollen ja noch einige Elemente kommen; erwarten Sie eine Vereinfachung?

Schnutenhaus:

Straumann hat ja schon eine ganze Palette an Zubehörteilen. Wir favorisieren die verschraubte Versorgung. Ein tolles Einsatzgebiet für BLX-Implantate ist aus meiner Sicht auch die All-on-four-Versorgung im Oberkiefer.

Sie meinen Pro Arch-Versorgungen mit BLX?

Schnutenhaus:

Genau, die passenden Abutments gibt es bereits.

Wie gehen Sie vor?

Schnutenhaus:

Wir haben extrahiert, dann die Implantate inseriert, direkt nach der Implantation die Scanbodys aufgesetzt, den optischen Abdruck genommen und das Langzeitprovisorium aus PMMA verschraubt. Dass die Innenverbindung immer die gleiche ist, hilft dabei sehr. Eine Prothetik passt tatsächlich auf alle Implantate.

Gibt es auch BLX-Kontraindikationen?

Stricker:

Ich würde das BLX-Implantat bei allen Patienten einsetzen, bei denen ich das auch konservativ tue. Die SLActive-Oberfläche ist in meinen Augen die beste Oberfläche am Markt. Sie bringt erhebliche Vorteile, etwa die schnelle Osseointegration und ein verringertes Periimplantitisrisiko – das hilft besonders kompromittierten Patienten.

Al-Nawas:

Laut ITI-Konsensuskonferenz sind Implantationen immer dann kontraindiziert bzw. mit Vorsicht anzugehen, wenn der Knochen sehr langsam remodelt. Das ist bei Bisphosphonatpatienten und Patienten mit einer aktiven Parodontitis der Fall. Antikoagulierte Patienten könnten von Sofortversorgungsprotokollen profitieren, da sie nur wenige Eingriffe haben sollten und das inserierte Implantat wie ein Korken gegen die Knochenwunde wirkt.

Schnutenhaus:

Das Implantat halte ich für alle Indikationen für geeignet. Aber bei extremen Bruxern empfehle ich keine Sofortversorgung.

Was zeichnet ein auf Sofortversorgungsprotokolle optimiertes Implantatsystem letztlich aus?

Al-Nawas:

Die Implantatlängen müssen stimmen, um eine ausreichende Stabilität zu bekommen. Zudem braucht es ein konisches Design und eine stabile ästhetische Ankoppelung zwischen Implantat und Abutment. Ansonsten hängt das klinische Outcome sehr von der Erfahrung und dem Können des Chirurgen ab. Die modernen auf die Sofortversorgung designten Systeme wie BLX machen es dem Anwender deutlich leichter, weil man ganz gezielt unterdimensioniert eine schöne Stabilität bekommt.

Was ist der BLX-USP?

Al-Nawas:

Das Design des Implantathalses und der 3,75er Durchmesser für alle Indikationen. Das ist ein wirklich praxisrelevanter Unterschied. Das zeugt von Ingenieur-Wissen, so dass viele Features in die Zukunft weisen. Dass sich mit der veränderten Ankoppelung viel schmalere Implantate produzieren lassen mit derselben Stabilität, das ist das Interessante dabei. Warten wir ab, was die ersten Studien bringen (siehe

http://www.dentalmagazin.de

).

Angesichts solcher praxisrelevanter Verbesserungen werden vielleicht doch in fünf Jahren 20 Prozent aller Implantate sofort gesetzt und versorgt.

Al-Nawas:

Weltweit mag das zutreffen, aber nicht für Mitteleuropa. Vor allem in Deutschland sind die Kollegen noch sehr zurückhaltend. Zu Recht, wie ich finde.

Stricker:

Ich auch, entsprechend konservativ sieht unser Konzept aus, nach dem ich auch meine Frau behandeln würde. Ich ziehe den nicht erhaltungswürdigen Zahn, lege Kollagen ein, kein KEM, um das Blutkoagulum zu stützen. Nach sechs Wochen setze ich entsprechend den prothetischen Rahmenbedingungen im Frontzahnbereich das Implantat und nach zwölf Wochen im Seitenzahnbereich. Die bukkale Lamelle stabilisiere ich mit einem resorptionsstabilen KEM. Dann erfolgt die Abdeckung mit einer Membran (GBR). Für dieses Vorgehen gibt es sehr schöne Zehnjahresergebnisse von Chappuis et al. aus der Berner Arbeitsgruppe, die letztes Jahr veröffentlicht wurden. Für diese Indikation würde ich auch ein BLX verwenden.

Schnutenhaus:

Das Beispiel des Kollegen zeigt ganz deutlich, in Deutschland sind wir noch vorsichtig, aber ich bin mir sicher, dass Sofortversorgungsprotokolle zunehmen werden, einfach, weil sich das viele Patienten wünschen.

Die Experten:

  • PD Dr. Dr. Andres Strickerist niedergelassen im Zentrum für Implantologie, Parodontologie und 3D-Diagnostik in Konstanz, gleichzeitig wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Freiburg.

  • Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawasist Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen der Universität Mainz, Präsident der Fachgesellschaft für 3D-Druck in der Medizin

  • Dr. Sigmar Schnutenhausist seit 1998 niedergelassen in eigener Praxis in Hilzingen. Schwerpunkte: Implantologie, Parodontologie, wissenschaftlicher Kooperationspartner der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Ulm

Noch bevorzugen Zahnärzte die klassische Spät- und Frühimplantation. Doch über kurz oder lang wird sich das ändern. Doch in Deutschland ist man noch äußerst vorsichtig. Zu Recht?

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