Soziale Faktoren begünstigen ungesundes Ernährungsverhalten im Alter
„In Analysen anderer Wissenschaftler ist uns aufgefallen, dass vor allem eine Ernährung mit einem Mangel an Gemüse, Obst, Vollkorn- und Milchprodukten etwa 65 Prozent aller ernährungsbedingten Todesfälle weltweit verursacht”, beschreibt Gesundheitswissenschaftler Christoph Geigl den Ausgangspunkt der Studie.
Die Forschungsgruppe entwickelte deshalb auf Grundlage dieser Lebensmittelgruppen einen vereinfachten Index mit dem Ziel, das ernährungsbedingte Risikoverhalten von Bevölkerungsgruppen möglichst einfach einschätzen zu können. Dafür untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Regensburg und des Robert Koch-Instituts den Zusammenhang zwischen sozialen Faktoren und riskantem Ernährungsverhalten bei älteren Erwachsenen ab 65 Jahren statistisch.
Die Daten der Analyse stammten aus dem Projekt Gesunde Gemeinde Puchheim der Hochschule München aus dem Jahr 2019. Bei der vollflächigen postalischen Befragung wurden alle 5.102 Einwohner ab 65 Jahren in Puchheim angeschrieben, 1.687 (33 Prozent) gaben einen voll ausgefüllten Fragebogen zurück.
Besonders gefährdet: Männer mit geringem Sozialstatus
Ergebnis: Die wichtigsten Risikofaktoren für ungesunde Ernährung bei deutschen Erwachsenen ab 65 Jahren sind wenig körperliche Aktivität, männliches Geschlecht, ein niedrigeres formales Bildungsniveau und ein erhöhter Alkoholkonsum. Dabei aßen Männer im Durchschnitt weniger Gemüse und Obst, Vollkornprodukte und Milchprodukte als Frauen – und Menschen mit niedrigerem sozialen Status konsumierten weniger diese Lebensmittel als solche mit höherem Status.
Die Ergebnisse sunterstreichen den Autoren zufolge die Notwendigkeit, die verschiedenen Komponenten der komplexen Beziehung zwischen sozialen Umständen und ernährungsbedingtem Risikoverhalten bei älteren Erwachsenen aufzudecken. Die Variabilität des Ernährungsverhaltens bei älteren Menschen deute darauf hin, dass einige ältere Erwachsene eher in der Lage sind, diese "Mindestkonsumhäufigkeiten" einzuhalten, während andere dies nicht tun.
Da sich das Ernährungsverhalten älterer Menschen durch spezifische Interventionen bis ins hohe Alter wirksam verbessern lässt, könnte der neu entwickelte Index dabei helfen, mögliche Zielgruppen solcher Maßnahmen besser zu bestimmen.
„Risikoprofile ermöglichen es, Personengruppen zu bestimmen, die von ernährungsbedingten Interventionen vermutlich besonders profitieren würden. Die zumeist knapp kalkulierten Mittel zur Gesundheitsförderung und Prävention lassen sich so zielführend einsetzen, um die soziale Ungleichheit im Ernährungsverhalten älterer Menschen zu reduzieren“, sagt Geigl.
Das Forschungsteam geht davon aus, dass die wesentlichen Ergebnisse der Analyse auf andere europäische Länder mit hohem Einkommen übertragbar sind.
Geigl, C.; Loss, J.; Leitzmann, M.; Janssen, C. Social Factors of Dietary Risk Behavior in Older German Adults: Results of a Multivariable Analysis. Nutrients 2022, 14, 1057, abzurufen unter:https://doi.org/10.3390/nu14051057