State-of-the-art bei OPs im Mund
Bei der Begrüßung der rund 600 teilnehmenden Zahnärztinnen und Zahnärzte.am Freitag betonte Zahnärztekammerpräsident Dipl.-Stom. Jürgen Herbert (Cottbus), dass Brandenburg neue Niederlassungen gut gebrauchen könne, denn viele Zahnarztpraxen schließen ohne Nachfolger, während auf die noch vorhandenen Praxen von Patienten gestürmt werden.
Die tätigen Zahnärzte hätten gern mehr Zeit, doch es fehle auf der einen Seite an Fachkräften, auf der anderen Seite gewähre die unfähige Gesundheitspolitik keine Planungssicherheit und verursache zudem einen hohen Bürokratieaufwand. Hier sei im wahrsten Sinne des Wortes die Schmerzgrenze erreicht. Dennoch schaut Herbert hoffnungsvoll in die Zukunft, denn ab April 2024 wird es endlich ein Studiengang zur Zahnmedizin an der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) geben.
„Wir lassen uns unsere Freiberuflichkeit nicht kaputt machen!“
Dr. Romy Ermler (Potsdam), Vizepräsidentin der Bundeszahnärtzekammer, kritisierte die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers und fordert mehr Wertschätzung den Berufsstand, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen der oralen Medizin auf die Allgemeingesundheit. Auch sie machte auf das Problem der fehlenden zahnmedizinischen Versorgung im ländlichen Raum aufmerksam. Die Niederlassung müsse sich auch weiterhin noch lohnen – die BZÄK prüfe derzeit eine Verfassungsbeschwerde zur GOZ, denn 34 Jahre Stillstand sei nicht mehr hinnehmbar. „Wir lassen uns unsere Freiberuflichkeit nicht kaputt machen“, stellte Ermler klar.
Prof. Dr. Dr. Max Heilmann (Berlin) leitete durch das Hauptprogramm. Es ging um die Möglichkeiten knochenaufbauender Operationstechniken, computerunterstützte Operationsplanung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Zahnärzten in der Betreuung der Patienten nach einer OP.
Prof. Dr. Susanne Nahles (Berlin) gab einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten horizontaler und vertikaler Augmentationstechniken. Für die Defektklassifizierung empfiehlt sie die Kölner Defektklassifikation. Was die Materialien betrifft, sei die Transplantatkompetenz von autologem Knochen bislang am höchsten, erklärte Nahles. Dabei betrage die Einheilzeit drei Monate, dagegen bei allogenen, xenogenen und synthetischen Transplantaten sechs Monate. Bei Defekten, die größer als fünf Millimeter sind, sollte in jedem Fall ein autologes Implantat verwendet werden. Nahles gab Tipps zum Vorgehen verschiedener Techniken bei horizontaler (bonesplit, Knochenblock, GBR-Verfahren) und vertikaler Augmentation (Onlay Plastik, Distraktionsosteogenese, Sandwich-Technik, Bonering Technik). Die Literatur zeige, dass bei einer horizontalen Augmentation (mit intraoralen Transplantaten als auch mit Ersatzmaterialien) mit einem durchschnittlichen Knochengewinn von 4,8 Millimetern gerechnet werden kann.
Prof. Dr. Oliver Ristow (Heidelberg) gab ein Update zu medikamentenassoziierten Kiefernekrosen. Antiresorptive Medikamente werden vorwiegend bei Osteoporosen, unter anderem zur Verringerung des Fraktur-Risikos und des Knochenabbaus, sowie bei Krebserkrankungen mit Manifestation im Knochen oder bei Knochenmetastasen verabreicht. Ein neues Kollektiv seien Patienten, die an Krebserkrankungen – bislang ohne Metastasierung - leiden, aber aufgrund vieler hormonbeeinflussender Therapien im Verlauf sekundäre Osteoporosen entwickeln und daraufhin Antiresorptiva verordnet bekommen.
Überforderung und Unterforderung sind Motivationskiller
Dr. Marco Freiherr von Münchhausen, Keynote-Speaker und Bestseller-Autor, hielt den Festvortrag zum Thema „Wie überwinde ich meinen inneren Schweinehund“? Er beschreibt das Tier als den Wächter unserer unsichtbaren Grenzen. Manchmal sei der innere Schweinehund eine weise innere Stimme, die uns von etwas Gefährlichem oder Unsinnigem abhalten möchte, manchmal aber auch nicht, denn er „futtert“ am liebsten innere Vorsätze.
Wir müssen uns also fragen: Wie trickst der innere Schweinehund uns aus? Und wie kann ich in Zukunft anderes mit ihm umgehen? Münchhausen verrät ein paar Tricks, wie es uns gelingen kann: Wenn man eine neue Gewohnheit (regelmäßig joggen) etablieren will, sollte man anfangs keine „Ausnahmefälle“ zulassen (das Joggen ausfallen lassen). Bei täglichem neuen Verhalten brauche man rund sechs bis acht Wochen, bis es zur Gewohnheit geworden ist – für diese kritische Zeit gilt laut Münchhausen das Ausnahmeverbot. Dafür solle man lieber etwas anderes von der Agenda streichen.
Man könne sich auch die Kraft der Bilder zunutze machen – sozusagen einen inneren Film kreieren, wie es aussehen würde, wenn man sein Ziel erreicht. Anfangs sollte man es sich so leicht wie möglich machen und sich das Ziel nicht zu hochstecken. Wenn man sich überwinden will, muss man das Gefühl der Machbarkeit haben. Will man auf Dauer etwas verändern, müsse man gegen den Strom der Gewohnheiten schwimmen und das könne ganz schön anstrengend sein, sagte Münchhausen. Im Idealfall mache uns die neu zu etablierende Gewohnheit ja auch Spaß.
Ob uns Dinge im Leben Spaß machen, hänge mit der Herausforderung und unseren Fähigkeiten zusammen, erklärte der Coach. Überforderung und Unterforderung sind Motivationskiller - im Idealfall gehen wir Tätigkeiten oder Hobbies nach, die eine feine Balance zwischen beiden bilden. Dann könne sich ein Flow einstellen.
Die Medikamente haben unterschiedliche Wirkungsweisen. Um herauszufinden, welches Medikament der Patient erhält, könne der Zahnarzt die Verabreichungsmethode erfragen, denn der monoklonale Antikörper werde immer subkutan appliziert. Die Halbwertszeit bei Bisphosphonaten liege bei bis zu zehn Jahren. Bei Antikörpern betrage sie nur einen Monat, während nach sechs Monaten keine Serumaktivität mehr nachzuweisen sei. Dennoch verändere sich der Knochenstoffwechsel auch in diesen sechs Monaten, machte Ristow klar. Infektionrn und Entzündungen sind Auslöser für Kiefernekrosen, deshalb sollten vor, während und nach der Einnahme von antiresorptiven Medikamenten Infektionsherde und mögliche Keimeintrittspforten im Kieferbereich zeitnah beseitigt werden.
Man könne viele Fälle von Kiefernekrosen durch vorbeugende und patientenindividuell angepasste Schritte verhindern – Ristow verwies hier auf die entsprechende Leitlinie. Zahnextraktionen und sanierende Maßnahmen unter antiresorptiver Therapie könnten ein Trigger für Nekrosen sein, wenn sie nicht unter gewissen Kautelen durchgeführt werden (Antibiotika, modellierende Osteotomie, Schleimhautverschluss).