Studie zum Nutzen von Zahnseide erringt Hauptgewinn
Kurzzusammenfassung
Der Hauptgewinn im Bereich „Wissenschaft“ (5.000 Euro) ging an die Arbeitsgruppe um PD Dr. Birte Holtfreter von der Universitätsmedizin Greifswald. Ihre Langzeitstudie belegt den Nutzen insbesondere von Zahnseide: Der regelmäßige Einsatz reduziert Plaque, Zahnfleischentzündungen und -taschen.
Den Preis im Bereich „Wissenstransfer in die Praxis“ (2.000 Euro) erhielten Diplom-Ökotrophologin Dorothee Hahne aus Köln und ihr Team. Sie haben erstmals Rezepte für Speisen und Getränke mit Erosionsschutz entwickelt, die zur Ernährungslenkung von Erosionspatientinnen und -patienten in der zahnärztlichen Praxis eingesetzt werden können.
Den Sonderpreis „Zahnmedizinische Praxis & soziale Verantwortung“ (jeweils 2.500 Euro) erhielten die „Zahnperle“ von Dr. Kerstin Aurin und Team vom Verein Zahnfuchs e. V. aus Heidelberg, die sich um die Mundhygiene von schwer kranken Kindern kümmert sowie Dr. Anna-Lena Hillebrecht und ihr Team vom Universitätsklinikum Freiburg: Sie haben einen Lehrparcours für Zahnmedizin-Studierende entwickelt, der Funktionseinschränkungen und Behinderungen simuliert.
Die ausgezeichneten Arbeiten im Einzelnen:
1. Preis: Langzeitstudie bestätigt Nutzen der Interdentalreinigung
Die Verwendung von Zahnseide, Interdentalbürsten und anderen interdentalen Reinigungshilfen gilt als effektive Ergänzung zum Zähneputzen, um Plaque und Gingivitis vorzubeugen. Die Evidenz für diese Empfehlung ist jedoch gering. Zudem liefern klinische Studien bislang nur begrenzte wissenschaftliche Belege für einen Nutzen der Interdentalreinigung bei oralen Erkrankungen mit langfristigem Verlauf, wie Karies, Parodontitis und Zahnverlust.
Mehr Evidenz zu diesen Fragen bringt die Arbeit von PD Dr. Birte Holtfreter und Elena Conrad, Prof. Dr. Thomas Kocher und Prof. Dr. Alexander Welk. In ihrer prospektiven Kohortenstudie haben sie erstmals die Langzeiteffekte der täglichen Nutzung von interdentalen Reinigungshilfen auf ein breites Spektrum dentaler und parodontaler Variablen untersucht. Dazu wurden die 7-Jahres-Follow-Up-Daten von 2.224 Teilnehmern der Study of Health in Pomerania (SHIP-TREND) anhand von adjustierten linearen und ordinalen logistischen Modellen analysiert. Das Ergebnis: Nach einer Beobachtungszeit von im Schnitt 7,4 Jahren ergab die Verwendung von Zahnseide und Interdentalbürsten signifikante positive Effekte auf die Folgeuntersuchungswerte von Plaque, Bleeding on Probing (BOP) und Sondierungstiefenvariablen. Die größten Effekte auf all diese Parameter hatte Zahnseide. Interdentalbürsten verringerten die Plaque- und BOP-Werte. Allerdings war keine der Interdentalreinigungshilfen konsistent mit der Anzahl kariesfreier gesunder Flächen oder der Anzahl fehlender Zähne signifikant assoziiert.
Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen die bisherige Evidenz und zeigen, dass Hilfsmittel zur Interdentalreinigung empfehlenswert sind: Sie können zur Verringerung von Plaque, Gingivitis und Taschenbildung führen – und sind damit möglicherweise auch ein relevanter Ansatz zur Prävention von Parodontitis.
2. Preis: Wissenschaftlich geprüfte Rezepte: Kalziumzusätze gegen Erosionen
Die Prävalenz dentaler Erosionen steigt in westlichen Industrieländern seit Jahren in allen Altersklassen. Hauptursache ist der häufige Verzehr saurer Speisen und Getränke, von Erfrischungsgetränken und Fruchtsäften bis zu frischem Obst, Salatsaucen und Sauerkonserven. Die Kombination mit Kalzium ist eine bewährte Strategie, um das erosive Potenzial von Speisen und Getränken zu senken. Bislang waren aber nur pauschale Ratschläge möglich, zum Beispiel eine Kalziumtablette zu Orangensaft zu geben.
Das ändert sich jetzt durch die Studie „Modifikation von Speisen und Getränken zur Reduktion des erosiven Potenzials“. Die Diplom-Ökotrophologin Dorothee Hahne (Köln), die Zahnärztinnen Houma Kustermann (Rottweil), Dr. med. dent. Anja Lüssi (Bern) und Prof. em. Dr. med. dent. Adrian Lussi (Universität Bern) haben erstmals konkrete Rezepturen mit Erosionsschutz für Speisen und Getränke entwickelt.
Das Team untersuchte den Zusatz von Kalzium in drei Konzentrationen zu Apfel- und Orangensaft, einem Energydrink und einem Cola-Getränk und „modifizierte die Rezepte von fünf säurehaltigen Gerichten durch kalziumreiche Zutaten wie zum Beispiel Käse, Joghurt oder Nüsse. Das erosive Potenzial wurde vor und nach der Modifikation untersucht. Als Schmelzprobekörper dienten kariesfreie Prämolaren und Molaren, bei denen nach zwei Minuten Einwirkzeit in der jeweiligen Testlösung Härtemessungen nach Vickers durchgeführt wurden.
Ergebnis: Bei Orangensaft und dem Energydrink verringerten bereits geringe Kalziumzusätze die Erosivität, bei Apfelsaft waren höhere Konzentrationen nötig. Beim Cola-Getränk war Kalzium in jeder Konzentration unwirksam; es blieb erosiv. Die angereicherten Getränke schmeckten teils salziger oder hatten eine bittere Note.
Bei den Speisen sank die Erosivität durch die modifizierten Rezepturen signifikant. Am deutlichsten war der Effekt bei einem Obstsalat mit Aprikosen und Beeren: Die Zugabe von Joghurt senkte die Härteabnahme auf -1,08 Prozent, versus -9,25 Prozent ohne Joghurt. Die zusätzliche Ergänzung von Haselnüssen führte sogar zu einer Härtezunahme um 0,75 Prozent. Wirksam war auch der Zusatz von Parmesankäse zu einem mit Essig-Öl-Vinaigrette zubereiteten Rucolasalat. Im Geschmackstest schnitten die Speisen genauso gut oder besser ab als das Original.
Fazit: Patientinnen und Patienten mit Erosionen können die modifizierten Speisen und Getränke konsumieren, ohne Säureangriffe befürchten zu müssen. Das ermöglicht ihnen, erwünschte saure Lebensmittel wie Obst oder sauer eingelegtes Gemüse im Speiseplan zu behalten. Damit sind sie ein attraktives neues Instrument für die Ernährungslenkung und Beratung in der zahnärztlichen Praxis.
1. Sonderpreis: Zahnputzperlen motivieren schwer kranke Kinder
Kinder mit schwerwiegenden Diagnosen wie Krebs oder einer Herzerkrankung müssen oft längere Zeit stationär im Krankenhaus bleiben. Die Mundgesundheit steht in dieser Situation meist nicht an erster Stelle, ist aber wichtig, denn unbehandelte Karies kann für diese Kinder ein Gesundheitsrisiko darstellen.
Bei dem Projekt „Zahnputzperle“ von Dr. Kerstin Aurin und ihrem Team vom Verein Zahnputzfuchs e. V. aus Heidelberg motivieren Schülerinnen und Schüler der Klassen 6 bis 9 die kranken Kinder, ihre Zähne regelmäßig zu putzen. Dafür basteln sie im Kunstunterricht aus Modelliermasse circa 2 Zentimeter große Unikate in Zahnform und gestalten diese liebevoll, beispielsweise mit Zipfelmütze, Hut, Bart oder einem zwinkernden Auge. Eine solche Zahnputzperle dürfen sich die kleinen Patienten dann in der Kinderklinik als Belohnung für regelmäßiges Zähneputzen oder in Situationen, in welchen das Zähneputzen schwerfällt, aussuchen. Bundesweit nehmen derzeit elf Kliniken und Schulen an dem Projekt teil.
2. Sonderpreis: Lehrparcours simuliert Behinderungen im Alter
Aufgrund des demografischen Wandels werden künftige Zahnärztinnen und Zahnärzte mehr Senioren mit altersbedingten Einschränkungen behandeln, die Einfluss auf die zahnmedizinische Betreuung haben. Damit Studierende der Zahnmedizin sich besser in diese Probleme hineinversetzen können, haben Dr. Anna-Lena Hillebrecht und ihr Team vom Universitätsklinikum Freiburg einen Lehrparcours entwickelt, der typische Behinderungen im Alter simuliert. An vier Stationen erfahren die Studierenden am eigenen Leib, wie schwierig es ist, zum Beispiel mit einer Augenerkrankung den Fragebogen in der Praxis auszufüllen, mit zitternden Händen eine Prothese zu reinigen, oder wie sich Mundtrockenheit anfühlt. Anschließend erarbeiten sie Strategien für die bestmögliche Betreuung und Unterstützung dieser Patienten.
Der Lehrparcours kann im Rahmen des Zahnmedizinstudiums an Universitäten eingesetzt werden, eignet sich aber auch zur Schulung von Praxisteams und Pflegepersonal.